Gesellschaft

Zur Berichterstattung und Kommentierung der Flüchtlingsproblematik sowie zu Leserbriefen zum Thema:

 Nach der Flucht: Asylbewerber in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Nach der Flucht: Asylbewerber in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Laut Kommentar von Damian Schwickerath ("Bilder der Schande", 13. August) müssen viele Flüchtlinge im Freien übernachten, weil wir uns in Deutschland "in einem Brandschutzsicherheitswahn suhlen", der die schnelle Unterbringung in freistehenden Kasernen verhindert. Da mag etwas dran sein. Aber angesichts der Vielzahl von Brandfällen in und an Flüchtlingslagern - welche Ursache sie im Einzelnen immer haben mögen - sind Staat und Behörden da vielleicht gar nicht so schlecht beraten. Ich möchte lieber nicht hören (oder lesen), was Herr Schwickerath und andere Besserwisser in dem Moment verbreiten, in dem Menschen aufgrund unzureichenden Feuerschutzes in einem Brandfall zu Schaden kommen - zumal in Gebäuden, die unter öffentlicher Verantwortung stehen. Das ist sicher ein tolles Gefühl, alles besser zu wissen - wenn auch immer bloß im Nachhinein, nicht wahr? Angesichts der Schwickerath'schen Wortwahl frage ich mich aber: In was suhlen Sie sich denn so - außer Ihrer Rabulistik? Joachim Bell, Trier Der Bericht über die Situation in der Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge löst Betroffenheit und Empörung über die Trägheit von Politik und Behörden aus. Der Kommentar von Damian Schwickerath bringt es auf den Punkt. Leider gibt es aber auch Meinungen wie: Es kommen zu viele Flüchtlinge oder: Das Boot ist voll. Diese Auffassungen halten der Überprüfung durch Fakten jedoch überhaupt nicht stand. Nur wer sich nicht informiert, kann so reden! Fakt ist, dass der Libanon, ein Land mit vier Millionen Einwohnern, mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. In Deutschland wird für dieses Jahr die Aufnahme von ca. einer halben Million erwartet. Würde Deutschland im Verhältnis so viele Flüchtlinge wie der Libanon aufnehmen, wären das 25 bis 30 Millionen! Der Libanon ist etwa halb so groß wie das Bundesland Hessen. Fakt ist auch, dass andere europäische Länder bezogen auf ihre Einwohnerzahl deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als Deutschland. An der Spitze liegt Schweden, es folgen Ungarn, Malta, Dänemark, Schweiz und Norwegen. Deutschland liegt erst auf Platz sieben. In Anbetracht dieser relativ niedrigen Flüchtlingszahlen ist es wirklich ein Armutszeugnis, dass Deutschland es nicht schafft, die Aufnahme besser zu organisieren. Henny Weber, Langsur Flüchtlinge müssen in Trier im Freien schlafen - ich bin von Scham und Wut ergriffen! Ich lebe in einem reichen Land, es werden Milliarden von Euro in fragwürdige Rüstungsprojekte und Hilfspakete gesteckt, aber man ist außerstande, den Menschen adäquat zu helfen, die diese Hilfe brauchen. Egal ob Bundes-, Landespolitiker und Landräte, sie alle haben versagt und gehören abgewählt. Stephan Krumm, Schönecken Unabhängig von Asyl- und Neonazidebatten geht bisher bei der nationalen und internationalen Politik sowie der damit einhergehenden Berichterstattung meiner Meinung nach der essenziell wichtigste Punkt dieser Thematik verloren. Sollte man nicht, wie bei jedem "Problem", die Ursache versuchen zu beheben? Die Rettung der Flüchtlinge ist natürlich moralisch geboten, aber nicht die Antwort. Die Antwort ist bei weitem komplexer und auch unbequemer. Egal, ob Landgrabbing, Rüstungsexporte oder globalisierte Marktstrukturen: Der "Westen" lebt seit Jahren auf Kosten eben dieser Länder, die die Flüchtlinge nun verlassen. So zerstören beispielsweise ausländische Unternehmen in Afrika durch den Einsatz von künstlichem Dünger und den Kohleabbau die Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion. Die Umweltzerstörung ist einer der wichtigsten Gründe für zahlreiche Konflikte in der Welt. Auch der maßgeblich durch uns verursachte Klimawandel trägt seinen Teil dazu bei. So schätzt man die Zahl der Klimaflüchtlinge in den nächsten 30 Jahren auf bis zu 200 Millionen. Das Verbraucherverhalten und der Lebensstil unserer privilegierten Bevölkerungsschicht ist nicht der Anreiz der Flüchtlinge, zu uns zu kommen, sondern vielmehr dessen Ursache. Der überwiegende Teil kommt nicht hierher, um reich zu werden, sondern um zu überleben. Sie verlassen nicht nur ein Land. Sie verlassen ihre Heimat. Matthias Heck, Bettingen Ich beziehe mich auf den Leserbrief von Herrn Weichsel aus Wallendorf ("Aus dem Ruder gelaufene Einwanderungspolitik", 8./9. August). Er vergleicht die Einwanderung mit dem Untergang der Titanic, wobei die Rettungsboote Deutschland darstellen, welches keine "Ertrinkenden" mehr aufnehmen kann. Um beim Beispiel der Titanic zu bleiben: Ihr Untergang hätte verhindert werden können, wäre auf Warnungen gehört worden. Deutschland könnte, statt Milliarden an Geldern in Aufrüstung zu verschwenden, in Flüchtlingshilfe investieren, etwa in die berufliche Integration sowie die Unterbringung der Flüchtlinge. Rettungsboote könnte die Politik also schaffen, indem sie das Wohl aller Menschen im Blick hat und nicht Wirtschaftswachstum - wie der Kapitän die Leistungskraft der Titanic ohne Rücksicht auf Verluste - aufs Äußerste betreibt. Überhaupt finde ich es zynisch, die Metapher "Boot" anzubringen, wobei doch Tausende bei dem Versuch, sich mit Booten in sichere Häfen zu retten, im Mittelmeer ertrinken. Sicherlich ist Kinderarmut in Deutschland schlimm und gravierend. Genauso schlimm ist aber auch die Armut serbischer, syrischer, albanischer, rumänischer, kroatischer, montenegrinischer Kinder. Als Mensch, der an das Gute glaubt und Gutes bewirken möchte, möchte ich auf das Elend oder die wirtschaftlich prekäre Lage dieser Menschen hinweisen und jeden auffordern, alle Flüchtlinge als Menschen zu sehen, die es wert sind "gerettet" zu werden. Esther Kind, Trier Falsch verstandener Liberalismus, politische Eiertänze um das Asylrecht und nichtssagendes Schwätzertum von politisch Verantwortlichen lassen das Flüchtlings-, Asyl- und Zuwandererproblem nicht so lösen, wie es Weltschmerz-Philosophen gerne hätten. Durch den Import sozialer Probleme bedarf es nur geringer Fantasie, um sich eine Kombination von Einflussfaktoren vorzustellen, die in der Wechselwirkung eine gefährliche Eskalation auslösen können. Der Zwang zur europäischen Asylrechtsvereinheitlichung wird immer dringlicher. Re striktionen einzelner Staaten ändern nichts, weil Asylbewerber nicht ihre Fluchtabsicht, sondern ihr Zielland ändern. Bestens organisierte Schlepperbanden lenken Asylantenströme nach Europa, in jene Wunderländer, deren Politiker bisher größeren Wert auf den Krümmungsradius von Salatgurken und Bananen und die Form von Traktorsitzen legten. Auch unser einladendes deutsches Asylrecht, ein liberales Ausländergesetz sowie großzügige Duldungserlasse der Bundesländer sorgen dafür, dass Deutschland gerne als Paradies für Asylsuchende angesehen wird. Auch wenn ein Anspruch auf Asyl nicht gegeben ist, kann der Bewerber vorm Verwaltungsgericht klagen. Bei negativem Urteil ist Revision möglich. Darüber hinaus kann er beliebig viele Anträge stellen, die seinen Aufenthalt verlängern. Das garantiert auch hohe Umsatzzahlen einzelner Anwaltskanzleien, deren Lobbyisten im Bundestag auf die lukrative Beschäftigung nicht verzichten wollen. Politik und Medien sind aufgefordert, das Wort Asyl auf den eigentlichen Inhalt zurückzuführen. Es muss wieder das Synonym für Schutz und Zuflucht vor politischer Verfolgung sein. Auf keinen Fall soll es ein Schimpfwort werden, noch darf es ein Zauberwort zum Eintritt in das Wunderland Deutschland oder Europa sein. Ich vermute aber, solange Parteigänger aller Couleur mit dem Asylrecht noch viele versalzene Süppchen kochen, wird sich nichts ändern. Heinz Erschens, Kell am See

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