Gesellschaft

Zur Berichterstattung über die Flüchtlingskrise:

Wir können es schaffen! Die Bekämpfung der Ursachen der Flucht und die bessere Versorgung der Flüchtlinge in den Nachbarländern bleiben oberstes Ziel. Wir müssen mit den Flüchtlingen menschenwürdig umgehen und ihnen, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte vorliegen, auch Asyl gewähren. Die Besorgnis, wir wären mit der Zahl an Flüchtlingen überfordert, ist, wie ein Blick zurück zeigt, nicht begründet. Im Gegenteil, Deutschland hat immer wieder Menschen, die Zuflucht suchten, aufgenommen und davon langfristig wirtschaftlich in allen Epochen profitiert. Preußen ist groß geworden, weil es französische Hugenotten, evangelische Christen aus Salzburg und den Niederlanden aufgenommen hat. Das deutsche Wirtschaftswunder hat auch etwas mit den vielen Flüchtlingen zu tun. Die Ausreisewelle der Deutschstämmigen aus der UdSSR und verschiedenen Ostblockstaaten Anfang der 90er Jahre hat wirtschaftlich eher Vorteile als Nachteile gebracht. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die alten Bundesländer und ihre Menschen gemessen an den damaligen Möglichkeiten mit sehr großen Herausforderungen fertiggeworden. Bis zu 14 Millionen Menschen wurden aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten vertrieben, die meisten wurden in der Bundesrepublik aufgenommen, hinzu kamen 3,5 Millionen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und ab Ende der 1950er Jahre vier Millionen deutsche oder deutschstämmige Aussiedler. Am 10. April 1953 ist meine Mutter (Kriegerwitwe) mit meiner Schwester (14 Jahre) und mir (12 Jahre) aus dem sogenannten "Arbeiter- und Bauernstaat" geflüchtet. Aufgenommen wurden wir in Berlin von einer fünfköpfigen Familie, die eine Zwei-Zimmer-Wohnung hatte. Der Ehemann war arbeitslos, die Ehefrau hatte ein geringes Einkommen aus gelegentlichen Näharbeiten. Berlin, damals eine geteilte und zerbombte Stadt, hat es in weniger als vier Wochen geschafft, den Fluchtgrund in einem dreistufigen Verfahren zu überprüfen, einen Bescheid anzufertigen, den Flug nach Hannover und eine Zuweisung in ein Bundesland zu regeln. Am 15. Mai 1953 wurde uns und über 20 weiteren Flüchtlingen in Speicher Wohnraum zur Verfügung gestellt. Wir wurden freundlich aufgenommen, dafür bin ich noch heute dankbar. Die große Zahl der Flüchtlinge, die heute aus einem anderen Kulturkreis kommen, stellt eine große Herausforderung dar. Helfen wir dem Einzelnen, dass er unsere Sprache lernt und die Möglichkeit bekommt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist dringend erforderlich, die Asylverfahren zu beschleunigen. Wir können es schaffen! Wolfgang Vogler, Bitburg

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