Gesellschaft

Zu den Leserbriefen "Auf dem direkten Weg in die Hölle" (TV vom 15. Mai) und zur österreichischen Dragqueen Conchita Wurst:

Sehr geehrte Frau Fischer, sehr geehrte Frau Reichling-Muller, was schlagen Sie vor? Sollen wir Frau Wurst als Hexe verbrennen oder Herrn Neuwirth als Perversen steinigen? Für beides wäre eine klare Geschlechtsbezeichnung vonnöten, um kirchenjuristisch einwandfrei ein Urteil zu fällen. Am besten gehen wir direkt wieder in die Zeit von 1600 zurück! Aber Vorsicht, auch die, die sich zu Richtern aufspielen, können brennen! Sehr geehrter Volksfreund, warum Sie so etwas abdrucken, kann ich nicht verstehen. Ich hoffe sehr, dass meine Kinder dies nicht lesen. Sie könnten ja auf den Gedanken kommen, dass die christliche Religion nicht tolerant sei, und vom Glauben abfallen. Die moderne Forschung erweist immer mehr, dass die extreme Fixierung der Kirche auf eine Form der Sexualität keine theologischen, sondern soziale, historisch belegbare Gründe hat und weiterhin, dass diese Fixierung neueren Datums ist. Sie hat kaum Basis in dem ursprünglichen Glauben. Des Weiteren ist selbst der katholischen Kirche wohl spätestens bei ihrer Mitgliederbefragung klar geworden, dass das Ganze mit der Lebenswirklichkeit von modernen Menschen und insbesondere modernen Familien nichts zu tun hat. Respekt und Gehorsam, der rigide deutsche Mutterbegriff und die stilisierte Vaterrolle kommen direkt aus der NS-Zeit und haben mit der Lebenswirklichkeit der verklärtenVergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft (hoffentlich) nichts zu tun. Hans A. W. Mommsen, Trier Sehr geehrte Frau Fischer, um Himmels willen! Herr beziehungsweise Frau Wurst soll so ein schlimmer Finger sein? Weil Gott etwas dagegen hat, darf er nicht singen? Und mit ihm sind seine Fürsprecher und Fans dem Teufel verfallen? Es hat doch schön gesungen, wie ein geschlechtsloser Engel! Ein singender Mann mit Bart in einem Kleid! Was für ein Spaß! Alle waren begeistert! Also die meisten, zumindest viele. Das wur(m/s)t Sie, oder? Da könnten Sie vor Wu(rs)t aus der Hose springen, wie? Bringt Ihre Welt durcheinander, verstehe. Ist echt schlimm! Doch Sie haben unrecht, wenn Sie sagen, "Die Wurst hat keine Zukunft", denn: Alles hat ein Ende - nur die Wurst hat zwei! Spätestens beim nächsten Contest sehen wir sie oder ihn wieder. Was mich immer stinksauer macht, ist dieses Gerede vom Glauben! Ich glaub, ich spinne! Hallo!? Gott ist nur in Ihrem Kopf existent! Das haben Sie sich alles nur ausgedacht! Alles Einbildung! Sie sind also ganz schön eingebildet! Jede Realität ist ein Produkt unserer Wahrnehmung und dem, was Sie/Ihr Gehirn daraus macht. Wenn Sie im Fernseher das Bild eines singenden Mannes sehen, der sich wie eine Frau verhält, dann führt Ihre Einstellung zu den Dingen in der Welt dazu, dass Sie sehen, was Sie glauben. Ein anderer sieht in Herrn Wurst vielleicht den neuen Heiland, ein transsexuelles Wesen, das die Botschaft einer transzendentalen Macht verkündet, um die Menschheit zu retten! Ein positiver Gedanke! Den einen wahren Glauben kann es nicht geben, glauben Sie mir, oder auch nicht! Aber Glauben verleiht Kräfte. Teilweise sogar gute, wenn ich an Menschen denke, die trotz schlechter Prognose eine schwere Krankheit überstehen. Nur hat das nichts mit einem real existierenden Gott zu tun. Es ist schlicht ein genialer Trick unseres Selbst, mit dem wir schlummernde Kräfte entfalten, kreativ sein können, immer wieder Lotto spielen oder zum Terroristen werden. Gott ist tot, wenn wir uns das glauben machen, daran kann uns Menschen nichts hindern. Genauso lebt Gott, wenn Sie das so sehen wollen. Sie wollen mir aber doch nicht weismachen, dass zum Beispiel Maria ohne Geschlechtsverkehr ein Kind gebären konnte. Hoffentlich hat sie beim Sex mit dem Durchreisenden H. G. ihren Spaß gehabt. Glauben ist nur ein Teil unserer Vorstellungswelt, nicht der Welt, die wir gemeinsam erleben. Man kann es versuchen, den eigenen Glauben mit anderen Menschen zu teilen, es führt uns aber nicht zur Realität und wenn, dann in den meisten Fällen zu Mord und Totschlag. Und weil das so ist, sollten wir mit unseren peinlichen Vorstellungen nicht zu sehr an die Öffentlichkeit drängen. Wenn Sie, Frau Fischer, als Sünderin nach Ihrem Ende allerdings in Ihrer wohlverdienten Hölle weiterleben sollten, oder als Transsexuelle wiedergeboren würden, fände ich das echt interessant. Dann schreiben Sie bitte noch einen Leserbrief! Andreas Müller, Schweich Mich verwundern die Aussagen und Leserbriefe zu Conchita Wurst. Ich dachte immer, seit Oswald Kolle sind wir alle aufgeklärt und kennen den Unterschied zwischen Mann und Frau, und dass es nicht in der Kleidung liegt. Aber jetzt muss ich feststellen, dass es noch genügend Menschen gibt, die den wahren Unterschied zwischen Mann und Frau nicht zu kennen scheinen. Wahrscheinlich gibt es deshalb auch (im katholischen Deutschland) noch Frauen, die auf Karneval den Männern die Krawatte abschneiden, weil sie meinen, das wäre die Männlichkeit. Wenn jetzt einige meinen, das sei der Untergang des Abendlandes und der Weg in die Hölle, kann ich nur noch den Kopf schütteln über solch eine Ignoranz. Vor 2000 Jahren kannte man schon den Unterschied zwischen Mann und Frau, und alle trugen lange Gewänder. Die Hose war die Kleidung der heidnischen Barbaren, die in den Urwäldern von Europa lebten. Die Schotten tragen seit Jahrtausenden Röcke, die Welt ist nicht untergegangen, und dort kennt man trotzdem den Unterschied zwischen Mann und Frau. Wenn der englische König den Schottenrock trägt, ist er noch lange keine Königin. Siegfried Wieck, Thalfang Rumms - Gott hat wieder zugeschlagen. Oder zumindest seine Racheengel aus Serrig und Udelfangen, obgleich ich mir sicher bin, dass noch mehr solche da draußen herumschwirren. Oder sind die Namen der Autoren Pseudonyme für Putin und Schirinowski? Toleranz für sich - oder für das eigene Gottesbild - im selben Luftzug mit Höllenverdammnis zu beanspruchen, ist ein geistiger Klimmzug, der nicht vielen gelingt. Insofern eine Zehn in der B-Note, Rhetorik. Inhaltlich fallen die Ausführungen durch. Es ist wiederholt Homosexualität unter Tieren beobachtet worden, viele Zoologen gehen von einem Prozentsatz von mehr als einem Prozent aus. Auch sind manche Tiere von Geburt an transgender, insbesondere Amphibien, da sie ihr Geschlecht später "wählen", um die Ausgewogenheit in deren Populationen zu sichern. Darüber hinaus ist Homosexualität, auch die von Menschen, keine "Wahl", sondern dem Menschen genauso in die Wiege gelegt wie die Heterosexualität der meisten Menschen. Gott hat sich nicht geschämt, diese Wesen zu erschaffen. Und Conchita ist auch ein Gotteskind, oder? Die mangelnde Toleranz der verbissenen Dogmatiker führt lediglich zu dem, was wir überall sehen - leere Kirchen, die der Reihe nach schließen. Sollte mir wurscht sein. James Doddridge, Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort