Glaubhaft die eigene Geschichte aufarbeiten statt der Fata Morgana hinterherzulaufen

Zum Artikel "Beck: Brauche die Linke nicht" (TV vom 4. Januar):

In der römischen Sagen- und Mythenwelt gab es den Gott Janus. Er war für Anfang und Ende zuständig, ins Materielle übertragen für Tore und Türen. Um deutlich zu machen, dass Türen nach innen und nach außen zu öffnen oder zu schließen sind, dass sie also zwei Seiten haben, wurde Gott Janus mit zwei Gesichtern dargestellt. Immer wenn Menschen oder hier im konkreten Fall Politiker sich mit zwei Gesichtern zeigen, welche jeweils Ausdruck für unterschiedliche Bedeutung oder Meinung sind, sprechen wir von einer janusköpfigen Darstellung.

Jüngste Beispiele lieferte die SPD, die sich als eine Partei mit zwei Gesichtern präsentiert. Gerade für die ehemaligen politischen Häftlinge und Opfer des Stalinismus ist die Haltung der SPD zu der postkommunistischen Linken enttäuschend und lässt viele meiner Haftkameraden verzweifeln.

Die Aussage von Kurt Beck, mit den Nachfolgern der SED-Mauermörder-Partei Die Linke nicht koalieren zu wollen, erscheint mir wenig glaubhaft, zumal seine Kollegin Andrea Ypsilanti seinerzeit ähnliche Aussagen vor der Hessen-Wahl getätigt hatte. War es nicht gerade Beck, der während seiner Zeit als SPD-Bundeschef dem Tabubruch, niemals mit den Linken auf Bundesebene zusammenzuarbeiten, ideologisch den Weg bereitete? Das jüngste Beispiel ist Matthias Platzeck in Brandenburg. Sein Rechtfertigungsversuch: Es sei jetzt Zeit für eine kollektive Versöhnung mit den SED-Verantwortlichen. Die von Platzeck geforderte Generalabsolution beleidigt jeden, der unter der Mauer und der Teilung unseres Vaterlandes gelitten hat. Versöhnung setzt Reue voraus, aber auch die Linke müsste glaubhaft die eigene Geschichte aufarbeiten statt immer noch der Fata Morgana von der Überlegenheit des Sozialismus hinterherzulaufen und den Systemwechsel zu fordern.

Es liegt an Kurt Beck, zumindest der SPD in Rheinland-Pfalz ein kleines Stück Glaubwürdigkeit wiederzubringen, indem er sich auch am Wahltag an sein jüngst gegebenes Versprechen erinnert, keine Koalition mit den Linken einzugehen. Die Demokratie wird es ihm danken.

Maximilian Meurer, Wittlich

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