Gleichberechtigung

Zur Berichterstattung über die Stimmzettel bei der Kommunalwahl (TV vom 14. und 20. Februar):

Es gibt in Deutschland einige zentrale Wahlgrundsätze. Einer davon ist der der "freien Wahl". Der Wähler soll ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung seine Stimme abgeben können. Doch der Aufdruck auf den Wahlzetteln als Hinweis auf eine Frauenquote stellt eine gezielte Beeinflussung dar. Es soll schließlich ein höherer Frauenanteil in den kommunalen Parlamenten erreicht werden. Die Landesregierung macht dadurch eines sehr deutlich: Sie hält die Wähler und vor allem die Wählerinnen für zu dumm, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Was ist mit einer Jugendquote? Mit einer Migrantenquote? Eine Quote für Linkshänder? Nein, ernsthaft, der Anteil jüngerer Bürger in den kommunalen Parlamenten ist geringer als der Frauenanteil. Wenn es also eine Frauenquote auf den Wahlzetteln geben wird, dann fordere ich auch eine Quote für Menschen zwischen 18 und 35 Jahren und für Behinderte, für Homosexuelle ... Darf eine Bevorzugung von Frauen denn wirklich gewollt sein? Sollen die Politiker per Beschluss darauf hinweisen dürfen, welche Gruppen künftig gewählt werden sollen? Der Grundsatz der freien Wahl bestimmt dies genau nicht: Denn die Wähler sollen frei entscheiden, wen sie wählen wollen und wen nicht. Eine Begründung für die Ablehnung der Beschwerde ist, dass der Beschwerdeführer nicht hinreichend selbst betroffen ist und vor allem, es seiner Beschwerde an juristischer Professionalität mangelt. Verdammt noch mal, muss der Bürger nun auch noch ausgebildeter Jurist sein, um sein Recht auf eine freie Wahl fachmännisch zu begründen? Das nenne ich Demokratie, in der nur noch die Juristen zur Kritik befähigt sind. Jeder Wahlberechtigte ist durch diese massive Wahlbeeinflussung betroffen. Um das darzulegen, braucht keiner Jurist zu sein. Der Gerichtshof hat mal wieder seine Feigheit gegenüber den Herrschenden und seine politische Farbe beispielhaft unter Beweis gestellt. Pascal Kersten, Kleinlangenfeld Glücklich das Land, dessen Landtag über einen Aufdruck auf dem Stimmzettel zur Kommunalwahl "hitzig" streiten darf! "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" lautet der Aufdruck. Seit Anfang an steht es so im Grundgesetz. In der Landesverfassung heißt es: "Frauen und Männer sind gleichberechtigt." Warum ein Satz aus dem Grundgesetz und nicht aus der Landesverfassung? Warum dieser Aufdruck auf dem Stimmzettel nur zur Kommunalwahl, nicht aber auch zur Europawahl oder zur letzten Bundestagswahl? Schließlich ist das Gesetz bereits im April 2013 beschlossen worden. Warum steht "Männer" vor "Frauen", wenn es um eine Erhöhung des Frauenanteils in den Kommunalvertretungen geht? Erst recht hätte sich da doch der Rückgriff auf die Landesverfassung angeboten. Dem Aufdruck allein wird indes nicht genug Zugkraft zugetraut. Deshalb soll auch der Geschlechteranteil auf dem Stimmzettel aufgedruckt werden. Lernen wir aber nicht gerade landauf und landab, dass es weniger auf das Geschlecht, sondern auf die "sexuelle Orientierung" ankommt? Wo bleibt die Information darüber? Und was ist mit denen, die nach dem Personenstandsgesetz 2013 weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet sind, also rechtlich weder Mann noch Frau sind? Fragen über Fragen, die nicht beantwortet sind. Aber was sollen solche Fragen? Schließlich geht es um etwas Hehres, um "Gendergerechtigkeit" im Gewand der Frauenquote. Dem tumben Wähler, sei er Mann, Frau oder Aliud, sollen die Augen geöffnet werden. Es geht um seine Beeinflussung - nicht parteienbezogen, sondern geschlechtsbezogen - zumindest bislang nur. Da ist noch viel Spielraum für Kreatives. Ausdruck des demokratischen Wahlaktes ist die Achtung der freien Entscheidung des mündigen Wahlbürgers, sei er Mann, Frau oder Aliud. Wenigstens beim Wahlakt soll er keiner unmittelbaren, auch keiner gut gemeinten Beeinflussung ausgesetzt sein. Deshalb gibt es die geheime und gleiche Wahl und das Verbot von Wahlwerbung im Wahllokal. Deshalb sind Stimmzettel mit einem solchen handschriftlichen Vermerk ungültig. Die Wahlbürger sind der Souverän. Weder durch die Regierung noch durch die Landtagsmehrheit braucht der Souverän Belehrungen. Er darf entscheiden, wie er es für richtig hält, also ohne Gewissensbisse wählen - auch nur Männer oder nur Frauen. Die Landtagsmehrheit hat 2013 forsch ein Gesetz beschlossen und nun kurz vor der Wahl 2014 politisch kalte Füße bekommen. Als Ausweg ruft sie den Verfassungsgerichtshof (VGH) an und macht ihn so zu ihrem Büttel. Er soll prüfen, ob es verfassungsgemäß ist, etwas aus dem Grundgesetz auf den Stimmzettel zu drucken. Sein zentrales Gesetz ist aber die Landesverfassung. Man kann also gespannt sein. Prof. Dr. Manfred J. Matschke, Mertesdorf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort