Gesundheit und Bildung Gut gedacht, schlecht gemacht!

Zur Berichterstattung über Schule in Corona-Zeiten schreiben Joachim Kind und Andrea Sharma:

Die Idee, die Corona-Pandemie mit mehr Testangeboten zu bekämpfen, finde ich gut. Obwohl diese Maßnahme – wie so vieles in dieser Pandemie – viel zu spät kommt. Zwei Sachverhalte stören mich daran allerdings sehr.

Zum einen halte ich die Maßnahme, durch mehr Testen auch mehr Freiheiten zu gewähren, im Moment für sehr riskant. Wenn wir am Beginn der dritten Welle stehen, wie die meisten Wissenschaftler sagen, dann ist jetzt der falsche Zeitpunkt für Experimente dieser Art.

Zum anderen ist die praktische Umsetzung, vor allem in den Schulen, überhaupt nicht geklärt. Hier hat unsere Landesregierung mal wieder etwas nicht zu Ende gedacht und bewiesen, wie realitätsfern sie ist.

Die Aussage von Ministerin Hubig (Infektionen in Kitas überschaubar – Regelbetrieb in Kitas bleibt erhalten) ist schon sehr gewagt. Hatten wir nicht zum Beispiel in der VG Saarburg-Kell einen Ausbruch in einer Kita mit 19 Infizierten? Was heißt hier überschaubar? Zumindest gehört das Personal aus Kita und Grundschule beim Impfen zur Prioritätsgruppe 2. Obwohl hier sicherlich noch nicht alle geimpft sind, geht man bewusst die Gefahr einer Infektion bei Personal und Kindern ein.

Noch viel schlimmer ist der Zustand in den weiterführenden Schulen. Hier sollen die Schüler nun zweimal wöchentlich getestet werden – was grundsätzlich eine gute Idee ist. Wie dies im Einzelnen abzulaufen hat, das überlässt man jedoch dem Organisationstalent jeder einzelnen Schule. Hier wird offenbar erwartet, dass die Lehrerschaft nun zum medizinischen Personal mutiert und die Tests nicht nur überwacht, sondern auch maßgeblich ausführt. Wie die Menschen geschützt sind, die das normalerweise tun, wissen wir alle. Sie tragen einen Schutzanzug mit Handschuhen, haben einen Mund- und Gesichtsschutz und sie sind als medizinisches Personal ausgebildet und vor allem geimpft.

Außer einem Mundschutz dürfte dem Lehrpersonal wohl nichts zur Verfügung stehen. Selbst die Impfung wird dem Lehrpersonal in weiterführenden Schulen, als Angehörigen der Prioritätsgruppe 3, noch lange nicht in Aussicht gestellt werden. Auch zu einer Testpflicht konnte man sich im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern nicht durchringen. Was nützen die Tests, wenn einige innerhalb einer Klassengemeinschaft sich nicht testen lassen?

Solche Ideen kann man haben, wenn man coronabedingt, abgeschottet vom direkten Bürgerkontakt in seinem Büro sitzt und Besuche nur nach vorheriger Anmeldung gestattet. Ist der Arbeitgeber – das Land Rheinland-Pfalz – nicht verpflichtet, seinen Angestellten einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten? Wird hier alles getan, um dem Personal und auch den Schülern den größtmöglichen Schutz zu bieten? Die Antwort lautet leider nein.

Joachim Kind, Saarburg

Die Schulen sind jetzt aufgefordert, in der Schule Corona-Tests auszuführen. Fein, mag man denken, denn ein großflächiges Testen ist – unbestritten – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Normalität. Aber wie sieht die Praxis aus? Dass sich jemand im Ministerium darüber Gedanken gemacht hat, das möchte man bezweifeln. Stellen Sie sich die folgende Situation vor: Die (ungetesteten) Kinder fahren morgens alle im Bus zur Schule. Dann sitzen sie in der Klasse, normalerweise ist Maskenpflicht erforderlich. Jetzt bittet der Lehrer alle Kinder, die Masken abzunehmen und konterkariert damit die Maskenpflicht. Alle Kinder nehmen die Masken ab und haben ein Testkit vor sich liegen. Jetzt leitet der Lehrer an, sich die Stäbchen in die Nase zu stecken und kontrolliert die Tiefe bei jedem einzelnen Kind. Der Lehrer ist in Alltagskleidung und ungeschützt – man vergleiche die Tester an den eigens eingerichteten Teststellen in voller Schutzmontur. Jedes Kind hantiert nun mit einem Stäbchen mit potentiell infektiösem Material herum und versucht, die richtige Anzahl Tropfen abzuzählen. Der eine hat zu viele, der andere zu wenige, der eine ist schneller, der andere langsamer, der Dritte hat vergessen, die Maske wieder anzuziehen, der Vierte hat sich in die Nase gepiekst und weint, dem Fünften ist der Flüssigkeitsbehälter umgekippt. Auf der Seite des Herstellers ist eindeutig zu lesen: Zur Anwendung bei Kindern: Der Test muss mit Vorsicht von einem Erwachsenen durchgeführt werden. (Es steht nicht dort: Ein Erwachsener muss das Testen beaufsichtigen.)

Und wenn ein Kind positiv ist? Statt es liebevoll in den Arm zu nehmen, muss es jetzt isoliert werden. Stigmatisierung programmiert. Wie viele Mitschüler hat es in der temporär ungeschützten Umgebung angesteckt? Wie einfach wäre es doch, wenn jedes Kind zwei Selbsttests pro Woche mit nach Hause nähme und sich dort verpflichtend testen würde – mit Unterstützung der Eltern. Niedersachsen macht genau dies vor – es scheint also zu funktionieren und nach deutschem Recht möglich zu sein. Die ADD Trier lehnt dies strikt ab.

Man könnte ein Foto (Datum nachweisbar) von seinem Schülerausweis und dem Test machen und dies vorlegen, nur dann wäre ein Schulbesuch möglich. Prima! Nebenbei könnte die Schule ihrer Kernkompetenz – dem Unterrichten – nachkommen und es würde nicht an den ohnehin wenigen Präsenztagen Unterrichtszeit zum Testen verloren gehen.

Warum geht das hierzulande nicht? Malu Dreyer lobt das Verhalten der Rheinland-Pfälzer in der Pandemie – warum vertraut sie dann nicht darauf, dass wir unsere Kinder testen können? Soll durch den Test in der Schule Kontrolle ausgeübt werden, weil wie immer gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Absurd ist dann nur, dass der Test in der Schule nicht verpflichtend ist. Verstehe das einer. Offensichtlich wieder eine Idee, die halbgar umgesetzt wurde!

Andrea Sharma, Trier

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