Gutes altes Europa

Der Kommentar trifft voll und ganz den Kern. Als Lehrer für Politik/Wirtschaft an einem Gymnasium in Vechta (Niedersachsen) hat man manchmal einen schweren Stand, elementare Grundsätze unseres Rechtsstaates zu vermitteln.

Dazu gehört das im Grundgesetz festgelegte vorstaatliche Recht auf Leben. Kein Staat kann dieses Recht verleihen, also kann auch kein Staat es in Frage stellen oder nehmen, sei es per Todesstrafe oder auch - wie im Kommentar dargelegt - durch eine lebenslange Haftstrafe im wörtlichen Sinne. Gleichwohl setzt aber eine Freilassung nach 15 oder, wie im Falle von Brigitte Mohnhaupt, nach 24 Jahren eine gerichtliche Prüfung der Frage voraus, ob von der freizulassenden Person weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat diese Frage nach gründlicher Prüfung verneint. Somit ist Mohnhaupt nach 24 Jahren Haft freizulassen. Ob ihr nach so langer Zeit eine Integration in unsere Gesellschaft gelingen wird, ist hier zweitrangig, ebenso die Frage nach Reue. Es ist die Stärke unseres Rechtsstaates, dass Resozialisierung und nicht Vergeltung im Mittelpunkt stehen. Auch diejenigen, die den Rechtsstaat damals bekämpft haben, müssen im Sinne der vom Grundgesetz geforderten Gleichbehandlung unter dem Schutz eben dieses Rechtsstaates stehen. Dies unterscheidet die Prinzipien europäischen Rechtsverständnisses eben elementar von einem zum Beispiel in den USA angewandten Sühnestrafrecht. Guantanamo wäre bei uns nicht denkbar, und auch deshalb ist es gut, im "alten Europa" zu leben, wo es niemandem, auch Terroristen nicht gelingt, die Grundfeste unseres Rechtsstaates auszuhebeln. Kurt Reinemann, Goldenstedt

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort