Hättest du geschwiegen ...

Zum Leserbrief "Enthauptungsschlag nur eine Frage der Zeit" (TV vom 2. Februar):

Mit dem Begriff "Enthauptungsschlag" tut sich Robert Seidenath sehr leicht, seine oberflächliche Betrachtungsweise über den Iran zum Ausdruck zu bringen und die Nato in die Verantwortung zu nehmen. Bevor er einen solchen Unsinn von sich gibt, wäre es verantwortungsvoll von ihm gewesen, sich objektiv mit den tatsächlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.

Weiß Herr Seidenath eigentlich, dass von dem Iran zu keiner Zeit ein Krieg ausgegangen ist, vielmehr dieses Land immer nur von Aggressoren angegriffen und in seine Verteidigung gedrängt wurde?

Das gegenwärtige Beispiel seiner Verteidigungsnotwendigkeit ist unschwer aus Detailkarten nachzuschlagen. Hier sieht man den Iran umzingelt von 32 größtenteils internationalen Militärstützpunkten in seinen Nachbarländern. Kein Wunder also, das sich der Iran - übrigens ein Land, das den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat - bedroht fühlt und sich mit seinem friedlichen und von der IAEA (International Atomic Energy Agency) kontrollierten Atomprogramm für den Ernstfall auf neuzeitliche zweckmäßige Gegenmaßnahmen einstellt. Die atomare Bedrohung aus Israel, das den Atomwaffensperrvertrag vollends ignoriert und auch nicht unterschrieben hat, ist dabei noch vollkommen unberücksichtigt.

Der in Trier lebende Privatdozent Dr. Reza Hamid Yousefi hat aufgezeigt, wie ein allen Seiten gerecht werdender Umgang zu ermöglichen wäre. Wille und Toleranz sind hierfür die besten Grundsteine. Letzteres, so scheint es mir, ist Herrn Seidenath aber ein Fremdwort. Natürlich sind die ständigen Menschenrechtsverletzungen und auch vieles andere aus dem Mullah-System nicht zu akzeptieren, doch Islam-Experten bestätigen immer wieder, dass der Iran weitaus demokratischer eingestellt ist als beispielsweise das Amerika freundliche Saudi-Arabien.

Um auf dem wissenschaftlich fundamentierten Kenntnisstand zu bleiben, empfehle ich Herrn Seidenath, Studientagungen in der Katholischen Akademie in Trier wahrzunehmen. Das Buch "Interkulturalität und Geschichte - Perspektiven für eine globale Philosophie" empfehle ich zum Lesen und Nachdenken. Mit Bestimmtheit hätte Herr Seidenath beim Lesen für sich die Erkenntnis gewonnen: Si tacuisses, philosphus mansisses - hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.

Jürgen Pferdekamp, Trier

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