Leserbrief Demokratie ist nicht unvergänglich

Zu: „Diese Kriegsverbrechen begeht Putin“ (TV vom 14. März) und weiteren Artikeln zum Thema Ukraine:

Putin hat seine Herrschaft nicht mit einem großen Knall etabliert, sondern nach russischen Regeln und Gesetzen. Putins Steigbügelhalter war Boris Jelzin, der Putin am 9. August 1999 auf den Thron hob. Die Bestätigung durch die Duma erfolgte eine Woche später. Als geschickter KGB-Agent schaffte er ein pseudodemokratisches System, in dem die Opposition plötzlich beginnen musste, ihre Worte abzuwägen. Gegensätzliche Meinungen wurden kriminalisiert. Kritikern drohten Verhaftungen. Hatten sich die Bürger an die neuen Bestimmungen gewöhnt, begann die Fortsetzung auf einer höheren Ebene. Vorwürfe wie Spionage, Verrat, Kooperation mit dem Feind – wer auch immer das war –, haben Angst geschürt. Putin sprach von einer äußeren und inneren Gefahr, die vom Westen ausging . Die USA und die Nato wurden dämonisiert. Die Überwachung der Bürger wurde ein wichtiges Kontrollinstrument seiner Herrschaft.

Wir neigen dazu, unsere Demokratie als etwas Unvergängliches zu betrachten. Aber sie ist ein höchst verwundbares Konstrukt. Wer nach absoluter Macht strebt, instrumentalisiert vorhandene Institutionen. Hitler hatte die Gestapo, Ulbricht und Honecker hatten die Stasi, Pinochet hatte die berüchtigte Dina. Diese Organisationen lebten vom Sammeln privater Daten, Krankenakten, Bankauskünften und Abhöraktionen von Telefonen. Es ist uns bewusst, dass diese Aktivitäten auch das Geschäft unseres Verfassungsschutzes sind. Daraus erwächst unsere Pflicht, darauf zu achten, dass die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit nicht überschritten werden. Die Erosion der bürgerlichen Freiheiten findet langsam statt, die Verwandlung einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft in eine Diktatur geschieht ebenso langsam. Man braucht dafür keine Kerker, um ein Volk zu erziehen, Angst reicht vollkommen aus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort