Ignorant, arrogant, impertinent

Zum Artikel "Viel mehr Hartz IV ist nicht drin" (TV vom 25./26. September):

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, keinerlei Kommentare zu den Aktivitäten der Interessengemeinschaft von Industrie, Banken, Atomlobby und Topmanagern - im Volksmund auch Regierung genannt - mehr abzugeben. Die unglaubliche Ignoranz, Arroganz und Impertinenz, mit der diese Heuchler ihre Neuberechnung des Hartz-IV-Satzes als Wohltat verkaufen wollen, zwingt mich dazu.

Keiner dieser "Volksvertreter", weder Frau von der Leyen, geschweige denn Herr Westerwelle musste je mit vier Euro am Tag für Essen auskommen. Die Erhöhung des Regelsatzes um ganze fünf Euro als das Nonplusultra abzuhaken, ist deshalb mehr als unverfroren.

Völlig daneben auch die Streichung von 14 Euro für Nikotin und Alkohol. Reiner Populismus. Man unterstellt unterschwellig, dass Hartz- IV-Empfänger zum größten Teil auf Steuerkosten dem Laster frönen, was die Boulevardpresse dankbar aufnimmt und an den Stammtischen beifälliges Nicken erzeugt. Nur ganz am Rande: Denjenigen, die diese 14 Euro nicht versoffen haben, fehlen weitere 46 Cent für die üppige Mahlzeit.

Aber genug der Rechentricks. Was mich am meisten bei der Argumentation dieser Herrschaften stört, ist der ständige Hinweis auf den Lohnabstand zur arbeitenden Bevölkerung. Nicht dass ich den infrage stelle, aber die Schlussfolgerung muss doch anders sein.

Wie kann es sein, dass Millionen von hart arbeitenden Menschen so wenig verdienen, dass sie an dieses Niveau herankommen oder sogar darunter bleiben, und ihr Lohn durch Steuermittel aufgestockt werden muss? Da sperrt sich diese Regierung vehement gegen einen Mindestlohn, der so etwas verhindern und diesen Abstand herstellen würde.

Dass dies nicht im Sinne der Bosse von Industrie und Handel ist, die durch ihren unglaublichen Egoismus diesen Raubtierkapitalismus bewahren wollen, ist sonnenklar.

Eine gewählte Volksvertretung sollte das allerdings anders sehen. Stattdessen erklärt die Regierung 30 Euro für Kleidung als völlig ausreichend. Profitieren davon werden wiederum nur die Besitzer von Billigläden, denn für 30 Euro geht kein Weg an ihnen vorbei. Das allerdings hilft weder den Nähsklaven in Bangladesch, noch den unterbezahlten Minijobbern in den Filialen. Wenigstens können die noch mit Lohnaufstockung rechnen oder gleich mit Hartz IV.

Bernd Donner, Konz

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