Landwirtschaft In den Krallen der Industrie

Zur Berichterstattung über die Proteste der Bauern schreiben Erwin Schmidt und Ulrike Wagner:

Wird die deutsche Landwirtschaft auf dem Altar der Industrie geopfert? Beobachtet man die weltweiten Handelsabkommen, so kommt man zwangsläufig zu dieser Einschätzung. Um die Großindustrie am Laufen zu halten, werden immer mehr Agrarprodukte im Handel mit Industriegütern importiert, und das aus Ländern, wo Umweltauflagen und Menschenrechte Fremdwörter sind.

Nach den jüngsten Handelsabkommen mit den USA darf Trump wieder Tausende Tonnen Soja und Rindfleisch zusätzlich nach Deutschland liefern und wird dafür zu Recht von seinen Farmern gelobt. In den südamerikanischen Ländern werden Tausende Hektar Regenwald gezielt abgefackelt, um auf den Riesenflächen Soja und Fleisch und sonstige Früchte zu produzieren und zu Dumpingpreisen in die EU zu verkaufen.

Die deutsche Landwirtschaft hat weltweit die höchsten Qualitätsstandards und die strengsten Rahmenbedingungen, und trotzdem werden die Bauern in der Klimadiskussion von der Politik und von der Öffentlichkeit  pauschal an den Pranger gestellt, obwohl es viele andere Bereiche gibt, die schwerwiegender die Umwelt belasten.

Liegt es etwa daran, dass die Landwirte in der Minderheit sind und keine Lobby mehr haben und die Verantwortlichen in der Politik völlig praxisfremd sind?

Die wirklich großen Klimakiller kommen nicht aus der Landwirtschaft. Wohl an erster Stelle steht der Flugverkehr, der weiter zunimmt und schädlicher ist als bisher gedacht, warnt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Täglich sind über 50 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs. Auf den Meeren fahren Kreuzfahrtschiffe und Tausende Luxusjachten. Dann die Industrie mit riesigen Fabriken, Abfallbeseitigungsanlagen, Pyrotechnik. Die Aufzählung könnte man beliebig weiterführen.

Alle Bürger sind an der Klimaveränderung beteiligt. Was wird nicht alles getan, um die Luxus-, Freizeit-, Wegwerf- und Spaßgesellschaft bei Laune zu halten? Auch beim Grundwasser ist nur von der Landwirtschaft die Rede. Millionen Kubikmeter Abwasser aus Privathaushalten, Großküchen, Krankenhäusern, Waschanlagen und so weiter sind tonnenweise mit Spülmitteln, Kosmetika und Medikamenten belastet, die selbst in modernsten Klärsystemen nur teilweise schadlos gemacht werden können, gelangen dann in öffentliche Gewässer. Aber auch der enorme Streusalzverbrauch im Winter sowie der Abrieb von Hunderten Millionen Autoreifen gelangen mit dem Regen ins Grundwasser. Das Gleiche gilt für marode Abwasserkanäle in Städten und Gemeinden. Die Düngung und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss in Deutschland lückenlos dokumentiert werden. Bei Zuwiderhandlung sind empfindliche Sanktionen angesagt!

Die heutige Landwirtschaft ist das Ergebnis der Agrarpolitik der Europäischen Union über viele Jahrzehnte. Die Zahl der Betriebe hat sich halbiert, Tausende von Arbeitsplätze gingen verloren. Das wird sich jetzt wiederholen. Wenn in der Großindustrie Arbeitsplätze in Gefahr sind, läuten in Berlin die Alarmglocken. Obwohl derzeit jeder zehnte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Landwirtschaft gestellt wird, wird darüber noch nicht einmal mehr gesprochen.

Am Ende haben die Nahrungsmittelkonzerne alles in ihren Krallen, vom Feld bis an die Theke.

Erwin Schmidt, Oberweis

Zum Leserbrief „Unerträgliche Beschuldigungen“ (TV vom 11./12. Januar):

Es klingt sehr einleuchtend, was  Maria Willems schreibt: Die Politik beugt sich wieder mal dem Druck der freien Wirtschaft. Laut Expertenmeinung Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sollten für die Zukunft möglichst nur noch landwirtschaftliche Großbetriebe entstehen. Nur so ließen sich die Kosten für Lebensmittel niedrig halten, um den großen Rest des Geldes in Konsumgüter zu investieren. Als Tochter eines „Eisenbahners“ erinnere ich mich nur zu gut an den Unmut, den mein Vater oftmals äußerte, über viele seiner Kollegen, die in den sechziger und siebziger Jahren mit ihrer Tätigkeit als kleiner Landwirt im Nebenerwerb (nicht nur die freie Wirtschaft hatte Bedarf an Arbeitskräften) immer wieder die Ruhetage und Urlaubspläne der Trierer Kollegen durchkreuzten. Längst ist offensichtlich, dass dieser einst von der Politik abgesegnete grenzenlose Konsum sozusagen ein Schuss war, der nach hinten losgegangen ist.

Heute sind die allermeisten von uns entsetzt über die oftmals aggressiven Verkaufsstrategien der Großkonzerne. Aber ist das nicht die logische Konsequenz aus dieser anfangs politisch erwünschten Konsumfreudigkeit?!

Je größer ein Unternehmen wird, desto größer wird auch der Druck,  stets mit der Konkurrenz im Nacken, wirtschaftlich zu überleben (überleben zu müssen?!). Deshalb Augen auf! Insbesondere bei der Wahl der Nahrungsmittel. Wer nur Ausschau hält nach Billigprodukten (nicht zu verwechseln mit den ohnehin preisgünstigeren klassischen Grundnahrungsmitteln), darf sich nicht wundern, wenn in gar nicht allzu ferner Zukunft vielleicht nur mehr ganz wenige Konzerne darüber „bestimmen“, was auf unseren Tellern landet.

Ulrike Wagner, Trier

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