Kein gutes Zeugnis

Zu "War Scherl ein Nazi-Künstler?" (TV vom 15. April):

Der Historiker Thomas Schnitzler aus Trier hat einen lesenswerten Aufsatz zur Situation von Künstlern im Gau "Moselland" (1939-1944) im KTJ 2009 verfasst. Scherl wird nur einmal namentlich in einer Künstler-Auflistung erwähnt. Schnitzler urteilt historisch fair; das gilt selbst für die Künstler, denen er einen "Ausstellungsopportunismus" bescheinigt.

In der Art und Weise, wie er sich jetzt in die Scherl-Debatte einschaltet, rückt er entschieden von seinen eigenen früheren Bewertungen ab und lässt jegliche Objektivität vermissen. Obwohl er weiß, dass die beiden Arbeiten von Scherl, die bei den Wanderausstellungen 1941 und 1942 des Gaues "Moselland" gezeigt wurden, vor dem Krieg entstanden sind, spricht er bewusst diffamierend und unqualifiziert von "Endsieg-Auftragsarbeiten". Auch weiß er, dass die Künstler keinen Einfluss auf Auswahl, Präsentation und Medienrezeption hatten - für Scherl lässt er das nicht gelten. Zu Meistermann fehlt ihm jede kritische Distanz. Schnitzler betrachtet ihn als "verfemten Künstler", der er nicht war. Auch Schnitzler betet ungeprüft Meistermann-Widerstandslegenden nach und will nicht wahrhaben, wie sehr Meistermann selbst die eigene Biografie für die Jahre 1930-1945 geschönt und stilisiert hat. Indem Schnitzler Texte der gleichgeschalteten NS-Presse wie objektive Dokumente liest, stellt er sich als Historiker kein gutes Zeugnis aus.

Franz-Josef Schmit, Wittlich

ausstellung

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort