Kirche

Zum Artikel "Wenn für katholische Geistliche plötzlich nur noch die Liebe zählt" (TV vom 11. Januar) diese Meinungen:

Kirche wird unterschiedlich verstanden. Das Wort "radikal" (= wurzelecht) wird leicht missverstanden, weil es mit "radikalisiert" gleichgesetzt wird. Hier ist ein Zurückkehren zu den Wurzeln gemeint. Die ersten Christen im Römischen Reich mussten bereit sein, ihr Leben für ihren Glauben an Jesus Christus hinzugeben. Viele haben dies getan (Märtyrer), noch mehr tun es heute. Als das Christentum durch Kaiser Konstantin 313 die politische Freiheit erlangte und der Glaube profitabel wurde, gingen Männer und Frauen in die Wüste, um radikal für Christus zu leben (Eremiten, Mönche). Wenn eine Gemeinschaft keine Mitglieder mehr hat, die aus den Wurzeln leben, droht sie zu verflachen (leere Kirchen, zerbrechende Familien). Die Gemeinschaft der Leute, die Jesus als ihren Herrn erwählt haben, (Kirche = die zum Kyrios Christus gehörende Versammlung), braucht eine Mitte, die das Ideal des Glaubens hochhält. Zu diesem Kern gehören Ordenschristen, christlich lebende Familien und die ehelos (zölibatär) lebenden katholischen Priester. Jeder lebt nach besten Kräften seine Berufung - das Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Dieses Scheitern gibt weder das Recht, eine bewährte Ordnung aufzugeben, noch über einen einzelnen Menschen zu urteilen und zu richten. Marktschreierische Berichte werden zu Recht von Briefschreibern zurückgewiesen. Wer der Gesellschaft dienen will, sollte gelungene Beispiele vorstellen und die klare Botschaft unterstützen. Johannes Mohr, Trier Ein Blick auf die römisch-katholische Weltkirche zeigt, dass in kaum einem Sprachraum so vehement nach der Abschaffung des Zölibats gerufen wird wie im deutschen. Aber auch die komfortable finanzielle Situation, in welcher sich Pfarrer bei uns befinden, ist weltweit nahezu einmalig. Pfarrer werden meist ab A 14 bezahlt, ein Bruttojahreseinkommen von circa 60 000 Euro und mehr ist also üblich, Bischöfe oder Theologieprofessoren verdienen sogar über 100 000 Euro. Davon könnten problemlos die entstehenden Familien ernährt werden, falls der Zölibat fiele. Denn die Finanzierung erfolgt - wiederum nahezu einmalig - aus Kirchensteuergeldern (je nach Bistum wohl zu 50 bis 75 Prozent). In den meisten Ländern der Dritten Welt wäre hingegen die Finanzierung einer Familie durch ihre lokale Kirche kaum darstellbar, ohne dass dabei weitere Zeit für die seelsorgerischen Pflichten auf der Strecke bleibt. Wichtiger als die Abschaffung des Zölibats erscheint die finanzielle Entzerrung von katholischer Kirche und Staat. In Deutschland steht sie im engen Zusammenhang mit dem geschichtlich ursprünglich wohlbegründeten Institut der öffentlich-rechtlichen Körperschaft für die Religionsgemeinschaften. Die Väter des Grundgesetzes (GG) haben den Bedarf nach Neuregelung dieses hochkomplexen "alten Zopfes" 1949 bestätigt und daher im § 140 GG die verschiedenen Paragrafen der Weimarer Verfassung (WRV) unverändert übernommen. Schon in Art. 138 WRV von 1919 und ebenso schwammig im GG heißt es zur Neuregelung: "Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf." Auch 100 Jahre später passiert nichts (Pardon, stimmt nicht: Die Linke hat einen Antrag eingebracht). Unser katholisches Establishment lenkt jedoch in ökumenisch-finanzieller Eintracht mit den evangelischen Kirchen konsequent vom Thema ab und befeuert lieber die imaginäre Hoffnung auf einen dem Zeitgeist entsprechenden Umbau der Spielregeln, wie man im Sport sagen würde. Mehr materielle Enthaltsamkeit als vermutlich erste Folge dieser längst überfälligen juristischen "Entrümpelung" wäre selbst in der reichen katholischen Kirche in Deutschland erprobt. So bekommen Nonnen und Mönche von ihren Orden meist nur ein geringes Taschengeld - ein Modell, welches sich auf das vielfach im Wohlstand erstickte katholische Establishment übertragen ließe. Katholischen Gläubigen und Priestern, die mit dem Zölibat nicht einverstanden sind, steht seit dem Zweiten Vatikanum zudem im Rahmen des Multikulti der Übertritt zur evangelischen Kirche oder einer anderen der 400 im Weltkirchenrat vertretenen Kirchen frei, und das sogar - im Gegensatz zum Islam - generell ohne Gefahr für Leib, Leben und Seelenheil. Weder der Zölibat noch die fehlende Frauenordinierung scheinen das eigentliche Problem zu sein. Kirchübertritte des katholischen Fußvolks zu unseren evangelischen Kirchen müssten doch sonst sehr häufig vorkommen. Dort wird aber in Relation noch mehr ausgetreten! Joachim Sels, Ralingen

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