KONFLIKTE

Zum Artikel "Helmut Schmidts Weltkriegsvergleich" und zum Kommentar "Schmidts Welt" (TV vom 17./18. Mai):

Natürlich ist die Welt heute nicht mehr so wie 1975 - da hat Werner Kolhoff recht -, aber selbstverständlich geht es auch heute um die "Abgrenzung von Interessensphären" zum Nutzen der EU und besonders Deutschlands, ob in Mittelamerika gegenüber den USA oder in Osteuropa und am Schwarzen Meer gegenüber Russland. Da hat Herr Schmidt recht und Herr Kolhoff unrecht. Helmut Schmidt hat auch recht mit seiner Warnung vor einer weiteren Verschärfung des Ukraine-Konflikts, nach seiner Ansicht "wie im August 1914"; 1914 verschärfte sich der Konflikt im Juli mit dem deutschen "Blankoscheck" an Österreich-Ungarn und dem österreichischen Ultimatum an Serbien, am 28. Juli begann der Krieg mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, in den ersten Augusttagen folgten die deutschen Kriegserklärungen an Frankreich (1. August) und Russland (3. August) sowie ohne Kriegserklärung der deutsche Überfall auf das neutrale Belgien (3./4. August). Unrecht hat Herr Schmidt mit seiner von Christopher Clark übernommenen Behauptung, die politischen Akteure hätten 1914 wie "Schlafwandler" gehandelt. Bereits die deutsche Zusicherung der bedingungslosen Unterstützung von Militäraktionen Österreich-Ungarns gegen Serbien vom 6. Juli 1914 gab den Weg in den Krieg frei und stellte die Diplomatie ins Abseits. Daraufhin besuchten der französische Präsident Poincaré und Ministerpräsident Viviani die damalige russische Hauptstadt St. Petersburg (20. bis 23. Juli), um das Bündnis mit Russland zu bekräftigen, was Österreich-Ungarn, der deutschen Rückendeckung gewiss, nicht davon abschreckte, Serbien am 23. Juli ein Ultimatum zu stellen, das Serbien ablehnen musste, worauf Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte. Um den deutschen Kriegseintritt zu rechtfertigen, erlog Wilhelm II. einen Angriff auf Deutschland ("Mitten im Frieden überfällt uns der Feind"). Von Schlafwandlerei oder von unglücklichen Zufällen kann also keine, von zielgerichtetem Vorgehen muss die Rede sein. Um heute eine Verschärfung des Konflikts zu verhindern, müssen alle Konfliktparteien ihre jeweiligen Provokateure und Scharfmacher zurückpfeifen, zu denen in Deutschland auch die Grünen gehören. Robert Seidenath, Gusterath

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