KONFLIKTE

Zur Berichterstattung über die Entwicklung auf der Krim und zum Kommentar "Sanktionen sind ein stumpfes Schwert" (TV vom 22./23. März):

Ich glaube, es ist nicht falsch zu behaupten, dass die Krim in unserem allgemeinen Bewusstsein immer Russland zugeordnet wurde und nicht der Ukraine. Chruschtschow schenkte die Krim 1954 anlässlich eines Jubiläums der Ukrainischen SSR. War dies konform mit dem Völkerrecht? Wohl eher nicht. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion scheint es dann erhebliche Probleme auf der Krim gegeben zu haben. Diese waren zunächst für den Westen uninteressant, und die Affäre gewann erst für den Westen an Interesse, als die EU mit tatkräftiger Hilfe Putins bei der Ukraine abgeblitzt ist und in der Ukraine bürgerkriegsähnliche Unruhen ausgebrochen sind. Sofort wurde mit Russland der Schuldige gefunden, obwohl man in der unübersichtlichen Situation kaum feststellen konnte, wer Provokateur, wer Täter und wer Opfer war. Während man von "unserem" Klitschko nichts mehr hört, möchte die designierte Präsidentschaftskandidatin, "unsere" Timoschenko, dem "Bastard" Putin mit einer Kalaschnikow in den Kopf schießen. Durch die Flucht des letzten Präsidenten Janukowitsch nach Russland hat die Ukraine keine Regierung mehr; die Wahl von Turtschynow zum Präsidenten durch das Parlament sieht die ukrainische Verfassung nicht vor, kann also kaum rechtmäßig sein, da der Präsident direkt vom Volk zu wählen ist. Mit wem verhandelt die EU also in der Ukraine, wer erhält die Unterstützungsgelder aus dem Westen? Ist nicht dies ein unerlaubter Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates? Und eine Verletzung des Völkerrechts? Putin hat in dieser Situation der ukrainischen Handlungsfähigkeit und der westlichen Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Nachbarstaates die Situation genutzt und die Krim zurück in die Russische Föderation geholt. Und dies mit einer offensichtlich überwältigenden Zustimmung der Betroffenen. Der geknickte Stolz der Ukraine, von EU und USA eignet sich wohl kaum, um daraus einen Bruch des Völkerrechts zu konstruieren. Aber statt uns zunächst einmal an die eigenen Nasen zu fassen, werden wir nicht müde, Putin als eine Gefahr für den Weltfrieden oder als kleine unbedeutende Lokalmacht darzustellen. Allein dies entbehrt jeglicher Logik. Wo aber waren unser Aufschrei, unsere Boykotte, Einreiseverbote und die Sperrung von Konten, als unsere Freunde USA, Vereinigtes Königreich und ein paar Trittbrettfahrer gegen jegliches Völkerrecht im März 2003 in den Irak einmarschierten? Die unglaublichen Menschenrechtsverletzungen und Folterungen durch die US-Armee im Abu-Ghraib-Gefängnis erzeugten lediglich eine zu kurze mediale Aufarbeitung, ähnlich wie 1968 das Massaker von My Lay in Vietnam. Die US-Armee setzte im Irak Dum-Dum-Geschosse gegen Menschen ein; Begründung: Man kämpfe nicht gegen Soldaten, sondern gegen Verbrecher. Die Schmutzarbeiten ließen die USA im Irak und in Afghanistan durch das zivile Unternehmen "Blackwater" ausführen; Mord und Totschlag mit angeheuerten Killern, die, zumindest in Afghanistan, sogar eigene Gefängnisse betrieben. Auf Guantanamo und den Einsatz von Urankerngeschossen in Jugoslawien, Afghanistan und im Irak, die ganze Landstriche vergifteten, möchte ich hier nicht weiter eingehen. Aber wo waren da unsere Proteste, unsere Aufschreie? Unsere Politiker lassen es zu, dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden, und bringen die halbe Welt in Aufruhr, weil es zu einer im Prinzip kleinen und unwichtigen Grenzkorrektur im Schwarzmeerraum gekommen ist. Im Übrigen: Wir zwicken Putin solange, bis dieser uns den Gas- und Ölhahn zudreht. Die Energiepreise werden mehr als spürbar steigen, und die anglo-amerikanischen Ölkonzerne werden Gewinne in nie gekannter Höhe einfahren. Bernd Steil, Trier Im Kommentar bezeichnet Herr Zeller die Übernahme der Krim als "einen moralisch höchst verwerflichen Akt". Von Wirtschaftssanktionen rät er mit Verweis auf frühere historische Ereignisse ab und führt letztlich sogar den Angriff der Japaner auf Pearl Harbour auf amerikanische Wirtschaftssanktionen zurück. Die deutsche Abhängigkeit vom russischen Erdgas und mögliche Verstaatlichung deutscher Betriebe werden ebenfalls als Argumente gegen (Wirtschafts)sanktionen angeführt, und - man höre und staune - das Beispiel Nordkorea. Eine derartige Vereinfachung/Verharmlosung des Sachverhaltes ist erschreckend. Die Annexion der Krim ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechtes, darüber herrscht in der EU, in den USA und in Japan Einigkeit. Und es ist augenscheinlich (wie von einem ehemaligen Berater Putins eingeräumt), dass die Besetzung der Krim eine von langer Hand geplante Militäraktion war. Dieser sollte die Einnahme weiterer östlicher und südlicher Provinzen folgen, was schon an der massiv erhöhten Truppenkonzentration entlang der ukrainischen Grenze gut ablesbar ist. Möglicherweise ist dieser Fall bis jetzt nur deshalb nicht eingetreten, weil die weltweite Empörung deutlich größer ist, als Putin es erwartet hat. Selbst die baltischen Staaten sind, trotz Nato-Mitgliedschaft, inzwischen sehr beunruhigt. Als Konsequenz aus den Ereignissen denken nicht wenige Ukrainer nun, dass sie ohne den Nuklearwaffenverzicht eine deutlich stärkere Position gegenüber Russland hätten. Das ist ein fatales Signal für Länder wie Nordkorea und den Iran. Der Bruch von Völkerrecht ist unverhandelbar! Die Kolumne von Herrn Zeller erweckt aber aus meiner Sicht den Eindruck, dass man Putin besser gewähren lässt, damit man kein Problem mit der Gasversorgung und einer möglichen Enteignung deutscher Firmen in Russland bekommt. Eine solche Position schürt falsche Ängste und macht erpressbar. Ja, Deutschland wäre im Falle von Wirtschaftssanktionen gegen Russland unter den europäischen Partnern am stärksten betroffen. Wir sollten uns vielmehr bewusst sein, dass die Abhängigkeit Russlands von Europa viel größer ist als umgekehrt. Russland hat keine moderne Industrie, sondern "nur" Rohstoffe (Öl, Gas, Gold, Nickel). Wenn Putin also den "Gashahn" wirklich zudreht, würde sein Staatshaushalt innerhalb von Monaten zusammenbrechen. Ohne die Hilfe und Technologie westlicher Unternehmen könnte Russland nicht eimal Öl raffinieren. Entgegen der Argumentation von Herrn Zeller zeigen die Sanktionen bereits Wirkung. Rubel und Börse befinden sich im freien Fall, Investoren haben mehr als 60 Milliarden Dollar aus Russland abgezogen. Antonius Finke, Trier

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