Landwirtschaft
Zum Leserbrief "Blühende Landschaften" (TV vom 5./6. März) und zur Diskussion um Glyphosat:
Liebe Frau Winkler, Sie haben wohl ein großes Problem: die Landwirtschaft. Die macht ihnen so richtig zu schaffen. Und nun auch noch das: Im Bier ist Glyphosat! Sauerei! Wäre da nicht der festgestellte Grenzwert. Danach müssten Sie, um irgendeine Auswirkung davon zu spüren, an einem Tag 1000 Liter Bier trinken. Wenn Sie das schaffen würden, würden Sie und viele Ihrer Sympathisanten den Bierkonsum so in die Höhe schnellen lassen, dass uns Bauern wirklich geholfen wäre. Aber dies schaffen Sie wohl nicht. Genauso schaffen Sie es nicht, so konsequent die Leistungen und Erzeugnisse der Landwirtschaft zu meiden, die Sie in Ihrem Leserbrief kritisieren. Sie gehen tagtäglich in einer intakten, gepflegten Umwelt spazieren und kaufen vermutlich Ihre Nahrungsmittel nicht beim Bauern auf dem Land, sondern die Bioprodukte kostengünstig bei Aldi & Co. Wie es halt die kritisch eingestellten Verbraucher so machen - nach dem Motto: Wasser predigen und Wein trinken. Eine Landwirtschaft, wie Sie sie sich vorstellen, gibt es schon lange nicht mehr. Das ist auch gut so - denn auch wir profitieren von dem allgemeinen Fortschritt, mit allen Vor- und Nachteilen. Dies darf man auch Industrialisierung nennen. Denn unsere Landwirtschaft arbeitet nach organisierten Abläufen und nutzt moderne Technik in den jeweiligen Produktionszweigen, in denen wir ein Einkommen für unsere Familien erwirtschaften müssen. Liebe Frau Winkler, ich empfehle Ihnen, anstatt Brennnesseltee und Gemüseeintopf, sich ein gutes Schnitzel beim Metzger zu kaufen und mit einem frischen Bier das Essen zu genießen. Dann geht es Ihnen gut, und Sie werden bestimmt ein bisschen zufriedener mit sich und der Welt - vielleicht auch mit uns Bauern. Es grüßt Sie ein Bauer vom Hunsrück. Jörg Ritgen, Morbach Dank modernster Analytik werden inzwischen kleinste Spuren verschiedenster Substanzen in Lebensmitteln nachgewiesen. Glyphosat in Muttermilchproben und im Bier. Und wer sind einmal mehr die Verantwortlichen? "Die" Industrie und die Landwirte, deren profitorientiertes, unverantwortliches Handeln das Grund-Trinkwasser verseuchen. Wissenschaftler oder Ämter, die sich anders äußern, werden nicht selten als Industrielobbyisten diffamiert. Sachliche Diskussion eines so ernsten Problems sieht anders aus. Dabei lässt die allgemeine Empörungswelle weitestgehend außer Acht, dass auch wir Verbraucher eine enorme Mitverantwortung an "Gift-"funden im Trinkwasser haben. Der Verband kommunaler Unternehmer weist seit längerem darauf hin, dass zunehmende Mengen von Chemikalien "menschlichen" Ursprungs Kläranlagen und damit die Trinkwasseraufbereitung gefährden. Laut Umweltbundesamt werden allein in Deutschland 630 000 Tonnen Chemikalien aus Wasch- und Reinigungsmitteln von privaten Haushalten mit dem Abwasser entsorgt, dazu kommen etwa 11 000 Tonnen Kosmetikprodukte und Körperpflegemittel. Ein weiteres Problem: der Reifenabrieb von Autos im Straßenverkehr. Wieso wird dieses nicht ebenso thematisiert wie die Probleme, die aus Landwirtschaft und Tierzucht entstehen? Die Herausforderung: circa 8000 Tonnen Arzneimittelreste menschlicher Herkunft (Ausscheidung über den Urin) in unseren Gewässern. Es gibt ein ernstzunehmendes Diclofenac-Problem (Schmerz- und Rheumamittel) im Ökosystem Wasser. Röntgenkontrastmittel sind nur schwer abbaubar, was für die Untersuchung eines Patienten positiv ist, wird für die Wasserwerke zunehmend problematisch. Etwa 50 Prozent der deutschen Verbraucher entsorgen nach wie vor Medikamente, die sie nicht mehr einnehmen wollen oder müssen, einfach in der Toilette: Das ist der falsche Weg. Denn bereits heute lassen sich trotz ausgeklügelter Filtrationsanlagen nicht alle Rückstände von Medikamenten und anderen Chemikalien aus dem Trinkwasser filtrieren. Das gilt zum Beispiel für hormonell wirksame Substanzen. Und die kommen bei weitem nicht nur aus der Landwirtschaft ins Grund-/Trinkwasser, sondern über den Menschen: zum Beispiel Antibabypille und Kunststoffe. Eine Sensibilisierung für diese Probleme findet in der Öffentlichkeit bislang kaum statt. Ein Anfang: die APP "TOXFOX", die beschreibt, ob ein Kosmetikprodukt "umweltfreundlich" entsorgt werden kann. Es gibt also viel zu tun, auch für jeden Einzelnen von uns. Renate Willkomm, Bernkastel-Kues Anm. d. Red.: Der Volksfreund hat zuletzt am 3. Februar sehr ausführlich über gefährliche Rückstände im Wasser berichtet ("Medikamente und Mikroschadstoffe verunreinigen Abwasser und Flüsse" und "Der Cocktail im Abfluss"), nachzulesen auf volksfreund.de