Landwirtschaft

Zur Berichterstattung über die Abschaffung der Milchquote und die Kürzung von Agrarsubventionen der Europäischen Union diese Zuschrift:

Als Bürger und als Sympathisant sorge ich mich um die Aufhebung des Schutzes der Landwirtschaft. Lange genoss die Landwirtschaft in Deutschland einen besonderen Status. Auch kleineren und aus realökonomischer Sicht gesehen unrentablen Betrieben und Familien wurde durch einen Schutzmechanismus eine Existenz ermöglicht. Doch dieser Schutzfaktor, der als Milchquote auftritt, soll 2015 abgeschafft werden. Nun befürchtete ich, dass darauf eine geplante Kettenreaktion folgt. Mit der Aufhebung ist der Weg frei für die Expansion, aufgrund von unbegrenzter Milchabgabemenge. Wie kann dann ein Betrieb mit oder gar unter dreistelliger Viehzahl noch existieren? Kommt es dann nicht zu einem hohen Anstieg der Pachtpreise? Kleinere Betriebe, also jene unter 100 Kühen, können wohl nicht die Summe aufbringen, die nötig wäre, um an die Betriebe heranzureichen, die schon vor 2015 eine große Expansion betrieben haben, und somit besteht überhaupt keine Chance, konkurrenzfähig zu bleiben. Also wird das, was einst schützenswert war, dem Markt hingegeben und zerstört. Führt man dies weiter, so stellt sich die Frage, ob es sich hierbei nicht um eine Übereinkunft zwischen Politik und großen landwirtschaftlichen Betrieben handelt. Denn vor allem die politischen Vertreter in Brüssel scheinen beteiligt zu sein. Der Vorteil hier für die Politik scheint zu sein, dass auf die Abschaffung der Quote ein anderer Automatismus folgt: das Ende der Agrarsubventionen. Kommt es zu einer flächendeckenden Expansion von einzelnen Großbetrieben, werden die anderen Betriebe zwangsläufig unrentabel, denn das Ende der Quote könnte einen Anstieg der Produktion zur Folge haben; logischerweise steigt die Nachfrage aber nicht dementsprechend, somit wäre ein Preisfall denkbar. Dies könnten kleine Betriebe niemals mittragen. Es ist zu vermuten, dass sich die Milchviehhaltung nach der Abschaffung der Quote dem Industrialisierungstrend der Landwirtschaft anschließen wird, was ein weiteres massenhaftes Betriebssterben zur Folge hätte. Da nun die unsichtbare, rücksichtslose und vor allem unpersonalisierte Hand des Marktes die Anzahl der subventionsabhängigen Betriebe reduziert hat, könnte es nun auch zu einer Reduzierung der Agrarsubventionen kommen. Diese Prämie war noch nie eine echte Zulage, sondern eine Existenzsicherung der Betriebe. Sinkt die Anzahl der bedürftigen Betriebe, kann auch die Subventionshöhe gesenkt werden. Brüssel arbeitet schon lange an der "Überarbeitung" der Subventionen, die einen beachtlichen Teil des EU-Haushaltes ausmachen, sicherlich wird dieser Prozess in Zeiten der finanziellen Notlage der EU-Länder verstärkt. Die Abschaffung der Quote und die darauf folgende Regulierung beziehungsweise Reduzierung der Betriebe liegt im Interesse der großen Betriebe, die die Quote als Störfaktor betrachten; zum anderen kann Brüssel nicht direkt für das Betriebssterben verantwortlich gemacht werden, und eine Senkung der Subventionen ist politisch leichter vermittelbar, wenn dies nur umsatzstarke Betriebe trifft und nicht direkt die Existenz von Kleinbauern zerstört. Marc Thiex, Gentingen

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