Politik Langsam ausatmen! Lippenbremse!

Zur Berichterstattung über den Streit in der rheinland-pfälzischen FDP über die Bildungspolitikerin Helga Lerch schreibt Prof. Dr. Manfred J. Matschke:

In den medialen Reaktionen nach dem „Gipfeltreffen“ in Mainz verschiebt sich die Argumentation. Andeutungen werden gestreut, um den Eindruck zu erwecken, Frau Lerch gehöre nicht zu den „Fleißigsten“ und ergehe sich zudem in „Oppositionsarbeit“. Glücklicherweise gibt es das OPAL-System. Es liefert Fakten über die Landtagsarbeit. So werden (Stand: 12. Februar) nach einer einfachen Suche unter dem Stichwort Helga Lerch 98 Dokumente ausgewiesen, davon 49 persönliche Anfragen von ihr. Im Urheberindex finden sich 87 Hinweise auf sie. Im Rednerindex hat sie 147 Einträge. Einen Vergleich mit den anderen FDP-Abgeordneten braucht sie nicht zu scheuen, und dass sie sich inhaltlich in „Oppositionsarbeit“ ergehe, ist Unsinn, ruft man die Dokumente auf.

Der Ausschlussantrag gegen Frau Lerch provoziert die Frage: Wie liberal ist diese Fraktion?

1. Zensur von Redemanuskripten und Redeverbote sind offenbar gängig.

2. Klatschen bei Reden der Fraktionsvorsitzenden und der Bildungsministerin wird verlangt, ansonsten ist man ein Gegner der Fraktion und – noch schlimmer – der Koalition.

3. Aus „Mücken“ werden „Monster“ konstruiert:

a) Eine harmlose Schlussbemerkung, zitiert aus dem Landtagswahlprogramm der FDP, wird zu einer über „100-Millionen-Haushaltsforderung“ aufgeblasen. Statt beruhigend auf die „echauffierte SPD-Ministerin“ zu wirken, bildet sich ein Rudel von „Kabinetts- und Fraktionsmitgliedern“, die sich für Frau Lerch „schämen“, wie im TV zu lesen ist.

b) Eine Allerweltsaussage, dass auch Schulen nicht vor sexuellen Übergriffen geschützt sind und dass, wie es in einem Leserbrief (TV vom 12. Februar) treffend heißt, „Seil- und Freundschaften innerhalb eines Lehrerkollegiums“ zum „kleinen Dienstweg“ der Problemlösung „durch Versetzungen“ führen können, wird zum „Staatsversagen“ hochgeschaukelt.

Angesichts dieser Wahrnehmung der Fraktionsarbeit komme ich doch ins Grübeln bei der Frage nach der Liberalität.

Sicher bin ich mir nur, dass die Fraktion momentan hyperventiliert: Dabei ist es zur politischen Ohnmacht gekommen! Es gibt aber eine Lösung: Langsam ausatmen! Lippenbremse!

Prof. Dr. Manfred J. Matschke, Mertesdorf

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