Lasst doch mal einen Staat in die Pleite rutschen

Zur Krise in Griechenland:

"Helft Griechenland, schnell!" ist die Parole dieser Tage. Die EU-Kommission, die Chefs von Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds und auch der Bundesfinanzminister werden nicht müde, die Hilfe zu fordern. Dabei sollen möglichst keine großen Überlegungen angestellt noch Forderungen an den Staat Griechenland erhoben werden.

Mir fehlen die Kenntnisse, um die Behauptung, eine griechische Staatspleite risse uns allesamt in den Untergang, widerlegen zu können. Allerdings kneift mich die Aussicht, dass wir neben den gewaltigen Schulden für die Bankenrettung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch einige Milliarden Euro für die griechische Schlamperei aufbringen müssen, gewaltig. Über uns schwebt wie ein Damoklesschwert die Ankündigung von Kürzungen und Einschnitten, die leider, leider wegen der Schulden erforderlich werden.

Die Griechen hingegen gehen schon jetzt auf die Straße, weil ihnen Zumutungen angekündigt wurden, die bei uns seit Jahr und Tag gang und gäbe sind. Wie schnell ist dort eine Regierung hinweggefegt, und dann stellen sich die Populisten zur Wahl, die die Zusagen der Vorgängerregierung nicht mehr akzeptieren.

Griechenland, einst die Wiege der Demokratie, scheint vergessen zu haben, dass Herrschaft des Volkes auch Mitverantwortung jeden Bürgers für seinen Staat bedeutet, nicht nur Ausbeutung desselben.

Vielleicht wäre mal ein Praxistest der richtige Weg: Lasst doch mal einen Staat in die Pleite rutschen. Vermutlich werden wir dann feststellen, dass all die schlimmen Ankündigungen nicht eintreten oder nur teilweise - und viel billiger für uns. Das argentinische Beispiel macht Mut. Mit Abscheu und Unverständnis erinnere ich mich der sogenannten "großen Europäer" - manch einer vollendete kürzlich das achtzigste Lebensjahr -, die uns in das heutige Desaster geritten haben, indem sie seinerzeit sehenden Auges etliche Stabilitätsbetrüger in die Euro-Zone aufnahmen.

Dabei gedenke ich zugleich der damaligen Warner, die forderten "keine Währungsunion ohne politische Union!". Wer wollte jenen jetzt noch widersprechen?

Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

Griechenland

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