Leserbrief Leisetreterei und Strippenzieherei schaden der Gesellschaft

Olaf Scholz

Zum Artikel „Scholz‘ Blitzvisite und das große Schweigen über das „N-Wort“ (TV vom 9. Februar):

 

Man wundert sich schon, was ein Bundeskanzler so alles kann – oder eben nicht kann. Da reist unser Kanzler Olaf Scholz nach Washington, um dort durch den US-Präsidenten verkünden zu lassen, dass Nordstream 2 mit zum westlichen Arsenal der Sanktionen gegen Russland zählen soll, falls es zu einer Invasion in die Ukraine kommt.

Abgesehen von der Wirkung solcher Mutlosigkeit auf das Ausland halte ich den Vorfall für symptomatisch für das generelle Auftreten unseres Kanzlers auch im Inland. Zu allen wichtigen Fragen gibt es aus meiner Sicht keine Positionierung von ihm. Stattdessen umgibt er sich mit einer Aura des Kryptischen und Geheimnisvollen und will die Öffentlichkeit mit nichtssagenden, hohlen Phrasen besänftigen und glauben machen, dass er alles im Griff habe und die Probleme unserer Zeit lösen werde.

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass er im Hintergrund erfolgreich wirkt, so kann es nicht hingenommen werden, dass alles Wichtige in den Hintergrund oder in Hinterzimmer verlegt wird. Hat man denn nicht die elementare Regel eines demokratischen Staatswesens begriffen, dass dieses System von Offenheit, Klarheit und Transparenz lebt. Die Menschen wollen nicht nur das Ergebnis, ob Erfolg oder Misserfolg sehen, sie wollen auch den Prozess nachvollziehen und beurteilen können. Ob Leisetreterei oder Strippenzieherei, beides schadet der Gesellschaft.

Das Verhalten der beteiligten Personen wie auch die Entscheidungsabläufe oder Verhandlungsverläufe müssen wieder für jedermann wahrnehmbarer werden. Dazu gehört auch, die Medien mit ins Boot zu nehmen und diese in die Lage zu versetzen, über klare Fakten zu berichten und nicht nur über inhaltsleere Floskeln zu spekulieren.

Die Taktik, nichts nach außen dringen zu lassen, mag ja während der Koalitionsverhandlungen hilfreich und vertretbar gewesen sein. Wenn aber der Bundeskanzler in dieser Weise die Republik führen will, dann wird sich diese Gesellschaft von ihm und vom Staat abwenden, weil ihr nicht einmal mehr das Gefühl von Teilhabe belassen wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort