Leserbrief Dominantes Verhalten sollte man eher den Russen anlasten

Ukraine-Krieg

Zum Leserbrief „Hat irgendein westlicher Politiker Rücksicht auf die Sicherheitsinteressen Russlands genommen?“ (TV vom 5. März) und zum Artikel „Wie sich die Lügen gleichen“ (TV vom 12. März):

 

Die Nato ist eine Verteidigungsgemeinschaft, jedes Mitgliedsland genießt volle politische Souveränität. Möchte ein Land das Bündnis verlassen, drohen keine Konsequenzen, Beispiel Frankreich (Anm. der Red.: 2009 kehrte Frankreich wieder vollständig in die Nato zurück. Zuvor genoss es eine Sonderrolle. Das Land hatte sich 1966 nach dem Aufstieg zur Atommacht aus der militärischen Kommandostruktur der Allianz zurückgezogen.) Auch die osteuropäischen Länder sind freiwillig beigetreten, einen Vertrag, der dies verhindert hätte, gibt es meines Wissens nicht.
Dominantes Verhalten sollte man eher den Russen anlasten. Die jahrhundertelange Gier russischer Machthaber nach gewaltsamer Unterwerfung fremder Völker setzte sich in der UdSSR und im Warschauer Pakt fort. Alle mussten nach der Pfeife Moskaus tanzen. Versuchte sich jemand aus dieser Umklammerung zu lösen, hatten die Herren im Kreml keine Skrupel, Gewalt auch gegen Verbündete einzusetzen.

An die DDR und Ungarn kann ich mich (Jahrgang 1950) zwar nicht mehr erinnern, wohl aber an den Prager Frühling 1968 und seine brutale Niederschlagung. Der Reformprozess unter Alexander Dubcek verlief gewaltfrei, Verletzte und Tote gab es erst bei der Intervention.

Dass die Zahl der Opfer nicht viel höher war, ist dem besonnenen Verhalten der Bevölkerung zu verdanken, allerdings war das Land kurze Zeit später wieder völlig „auf Linie“. Das Perverse hierbei: Reformpolitiker und Sowjets führten mehrere Verhandlungsrunden, einigten sich scheinbar problemlos. Kurz nach den letzten Gesprächen kam dann der Angriff, der alle Träume zerstörte. Für die Sowjets war dies zwar der Sieg über eine „Konterrevolution“, westliche Fachleute sahen darin aber schon eine Kapitulation der Sowjets, nämlich das Eingeständnis politischen Unvermögens.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort