Leserbrief Europas fehlende Geschlossenheit und Putins Art, die Schwächen der Anderen für sich zu nutzen

Ukraine-Krieg

Zum Artikel „Olaf Scholz auf schwieriger Mission im Baltikum“ (TV vom 8. Juni):

Dem Westeuropäer erschließt sich Präsident Putins Denkweise im Ukraine-Krieg überhaupt nicht. Der russische Präsident nimmt billigend in Kauf, dass Tausende von Menschen sterben oder verwundet werden, Mütter mit ihren Kindern fliehen, ganze Städte und Industrieanlagen zu Mondlandschaften gebombt werden. All dieses, um sich einen Nachbarstaat zu unterwerfen, der ihn in keiner Weise bedrohte.

Die Osteuropäer hingegen verstehen Putins Denkweise sehr wohl. Putins Lehrmeister Stalin nahm zum Beispiel den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 zur Gelegenheit, in die baltischen Staaten, den Ostteil Polens und Rumäniens einzumarschieren. Stalin schickte daraufhin seine geübten Handlanger, um „Klassenfeinde“ und Opponenten zu erschießen oder deportieren. Auf diese Weise hatte er schon seine Macht Jahre zuvor in der UdSSR gefestigt. Gleichzeitig wurden diese Länder rücksichtslos geplündert und banale Artikel des täglichen Bedarfs, die im Arbeiter- und Bauernstaat fehlten, entwendet. 

Unsere osteuropäischen Partner sehen, wie Putin dieselben terroristischen Methoden anwendet wie damals sein Vorbild. Es erschließt sich zum Beispiel der Ministerpräsidentin von Estland nicht, dass Scholz und Macron zurzeit überhaupt mit Putin (über die Köpfe der Ukrainer hinweg) verhandeln wollen. Man stellt fest, dass die größten Waffenlieferungen an die Ukraine aus den USA, Polen, Großbritannien und den baltischen Ländern kommen, während der Bundeskanzler es nicht schafft, eine klare Haltung in einer klaren Sache zu zeigen.

Es wird vielfach berichtet, dass gerade die Bundesrepublik, das Führungsland in der EU, deswegen einen deutlichen Ansehens-Vertrauensverlust in Europa erleidet. Die EU verabschiedet zwar etliche Sanktionspakete, die aber mit so vielen Ausnahmen (zum Beispiel für Deutschland und Ungarn) versehen sind, dass sie schließlich Europas fehlende Geschlossenheit verraten. Dieses wird dem ehemaligen Oberst der KGB nicht entgangen sein, der sehr wohl gelernt hat, die Schwächen der Anderen für sich zu nutzen. Ex-Kanzler Gerhard Schröder kann ein Lied davon singen.

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