Leserbrief „Da war nichts!“

Cum-Ex-Ausschuss

Zum Artikel „Scholz erinnert sich auch in Hamburg an nichts“ und zum Kommentar „Das Land kann sich keinen kriselnden Kanzler leisten“ (beide im TV vom 20. August):

Wenn es möglich ist, Steuern vom Staat zurückzufordern, die man nie gezahlt hat, ist etwas „faul im Staate“.  Noch „fauler“ ist die Moral derer, die bei ihren Cum-Ex-Geschäften über viele Jahre Gesetzeslücken nutzten, um sich betrügerisch am Staat zu bereichern.

Dass es der Bundesgerichtshof erst 2021 schaffte, diese Praxis für betrügerisch und justiziabel (strafbar) zu erklären, macht deutlich, welch hohe kriminelle Energie in der Hochfinanz und ihrer Lobby unterwegs sind und wie mächtig und fatal ihr Einfluss auf die Politik ist.

Die Rede ist von der unterlassenen Rückforderung hoher Millionenbeträge aus ergaunerten Steuergeldern aus Cum-Ex-Geschäften der Hamburger Warburg-Bank, in die der heutige Bundeskanzler und damalige Erste Bürgermeister von Hamburg verstrickt sein soll. Die unterlassene Rückforderung soll im unmittelbaren Zusammenhang mit Besprechungen zwischen der Bank und Scholz in den Jahren 2016 und 2017 stehen.

 „Da war nichts“ und „Ich kann mich nicht erinnern!“ – behauptete Olaf Scholz vor einem Untersuchungsausschuss. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass er gelogen hat, denn niemand vergisst Gesprächsinhalte, bei denen es um so viel Geld geht.

Hätte der Bundeskanzler, der sein Land in schwerer Zeit besonnen regiert, die Größe gehabt zuzugeben, dass und warum er damals so handelte wie vermutet, hätte er wahre Größe bewiesen.

Allzu glatt, arrogant und abgebrüht ging ihm seine Aussage von den Lippen. So bleiben Vertrauensverlust  und Resignation beim Bürger zurück,  und er sieht sich in seiner ohnehin schlechten Meinung von „denen da oben“ bestätigt.

Moral ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist das Ergebnis jahrtausendealter Philosophie – sie ist Rückgrat und Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft. Auf hoher politischer Ebene steht Moral häufig gegen übergeordnete(?) Interessen, zum Beispiel die Verantwortung für Arbeitsplätze. Da wird Verantwortung oft höher bewertet als Moral. Und allzu oft, beliebig und schamlos wird der Moral das Rückgrat gebrochen, wenn es in Wirklichkeit um die Interessen „derer da oben“ geht. „Geld regiert die Welt!“

Die  Cum-Ex-Geschäfte und ihre allzu lange Duldung sind für mich  nur ein weiteres Indiz für die kranke Liberalität und moralische Verkommenheit in liberalistisch orientierten Gesellschaften.

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