Biegel Dürfen Kinder Indianer spielen?

Rassismus-Debatte

Zu: „Neuer Winnetou-Film entfacht Debatte“ (TV vom 25. August):

 

Ohne Amerika hätte sich eine gefestigte Demokratie in Deutschland wohl kaum entwickeln können. Aber natürlich ist nicht alles, was von dort zu uns kommt, begrüßenswert. Das gilt für den Trumpismus genauso wie für die neuerdings um sich greifende Woke-Bewegung. Denn beide führen durch undifferenziertes und vorurteilsbehaftetes Schwarz-Weiß-Denken zu gesellschaftlicher Spaltung und sind ernsthaft demokratiegefährdend.

Das Wokeness-Konzept funktioniert über systematische Schuldeinredung gegenüber einer per se als (strukturell) rassistisch diffamierten „Mehrheitsgesellschaft“. Operiert wird mit moralisch überfrachteten Konzepten der Kollektivschuld qua Hautfarbe. Das ist schauerlich, reaktionär und inhuman. Schwer zu verstehen, wie es dennoch immer mehr gelingt, weite Teile der Bevölkerung zu verunsichern und dadurch stillzustellen.

Empirische Studien belegen jedenfalls die zunehmende Angst davor, öffentlich die eigene Meinung zu äußern. Wir brauchen in unserer Demokratie aber nicht das Duckmäusertum, sondern ein aufgeklärtes, selbstbewusstes, weltoffenes und meinungsfreudiges Bürgertum.

Im oben angeführten Artikel wird nach dem rassistischen Gehalt des neuen Winnetou-Films, aber auch generell von Indianerkostümierungen, Karl-May-Festspielen und dergleichen gefragt. Zentral ist der Vorwurf der „kulturellen Aneignung“. Moralisch verwerflich ist demnach die Übernahme bestimmter Elemente einer Kultur in eine andere.

Wollte man das ernst nehmen, würde das die völlige Erosion moderner, im Kern ja multikultureller Gesellschaften bedeuten und deren Rückumwandlung in ethnisch-kulturell homogene Stammesgemeinschaften. Wenn das Tragen von Dreadlocks für Weiße rassistisch sein soll, dann doch wohl auch das Rauchen, Kartoffel-Essen und Tattoo-Tragen. Man muss nur durch die Trierer Innenstadt gehen. Überall kulturelle Aneignung: in der Gastronomie (Thailänder, Türke, Chinese), in den Modegeschäften (Poncho, Mokassins, Dirndl), in der Volkshochschule (Batikkurse, Fremdsprachen). Manchmal erschließt sich eine Sache erst in ihrer Übertreibung. Kulturelles Besitzstandsdenken und Abschottung gegenüber anderen Kulturen sind zwei Seiten derselben Medaille. Beides sollte im Sinne einer pluralen Gesellschaft vehement zurückgewiesen werden.

Und natürlich stellt sich vor diesem Hintergrund die im TV-Artikel aufgeworfene Frage von Neuem: Sollen wir unseren Kindern verbieten lassen, weiterhin Indianer (Pirat, Prinzessin, Ritter etc.) zu spielen?

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