Leserbrief Wäre es nicht ehrlicher, die Bischöfe unter Druck zu setzen, die an ihrer Vertuschungspolitik festhalten?

Kirche

Zum Interview „Das war ganz klar kriminell“ mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann (Trierischer Volksfreund vom 30. August) :

Was soll die Rücktrittsforderung an den Trierer Bischof? Will man die Kirche dazu bringen, endlich der schlimmen Wahrheit des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich der Kirche ins Gesicht zu blicken und den  für alle Beteiligten schmerzhaften Weg der Aufarbeitung gehen? Oder will man Köpfe rollen sehen?

Ich bin Betroffener in der Missbrauchsaffäre Albertinum. Hier ging es um die Klärung der skandalösen Zustände und Vorfälle im ehemaligen Gerolsteiner Jungeninternat. Bischof Ackermann hat in unserem Fall den richtigen Weg gefunden, die Versäumnisse des Bistums aufzuklären und auch Wiedergutmachung zu leisten.

Was ihm als dem Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz deutschlandweit nicht gelungen ist, hat Ackermann im Rahmen seiner Möglichkeiten in seinem eigenen Bistum gelöst. Die Herangehensweise beim Thema sexualisierte Gewalt ist ähnlich. Eine unabhängige Kommission klärt die Fälle auf, dokumentiert sie, und das Bistum macht den Betroffenen einen „Schlichtungsvorschlag“. So geht „Aufarbeitung“, zumindest in den Fällen, wo die Straftaten juristisch „verjährt“ sind.

Jetzt aus dem politischen Raum Rücktrittsforderungen als Reaktion auf die reine Feststellung von Sexualstraftaten zu formulieren, halte ich für falsch. Der Trierer Bischof ist der Erste im deutschen Bischofskollegium, der aus eigener Initiative Aufklärung und Wiedergutmachung ganz konkret umsetzt. Wäre es nicht ehrlicher, diejenigen Bischöfe unter öffentlichen Druck zu setzen, die immer noch an ihrer unsäglichen Vertuschungspolitik festhalten?

Übrigens: Die Aufklärung und Verfolgung von Missbrauchsstraftaten ist Sache der Staatsanwaltschaften, auch wenn sie im Kontext Kirche passiert sind. Wo ist und wo war die Justiz in den 75 Jahren Trierer Missbrauchsgeschichte? Wo waren die Jugendämter der Städte und Landkreise, wenn Kirchenmänner gegen Kinder übergriffig geworden sind? Allein das Ausmaß des Missbrauchs im Bistum Trier macht es wenig wahrscheinlich, dass dort keine Fälle bekannt waren.

Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen.

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