Leserbriefe Millowitsch und all die anderen

Zum Artikel „Millowitsch-Theater: Dat woret“ (TV vom 24./25. Mai) und zum Leserbrief „Eine Frage des Überlebens“ (TV vom 28. März) schreibt Jutta Albrecht:

Es ist historisch richtig und wichtig, die Auftritte von Willy Millowitsch im SS-Sonderlager Hinzert zu erwähnen, wie Dittmar Lauer dies in seinem Leserbrief getan hat, denn auch diese gehören zum Leben des Künstlers dazu.

Der Ausspruch, „Mitmachen“ sei in der Nazi-Zeit „eine Frage des Überlebens“ gewesen, ist nicht singulär für einen Künstler der Nazi-Zeit. Zudem waren „Brot und Spiele“ nicht nur zur römischen Zeit ein gängiges Mittel, das Volk über das Elend des Alltags hinwegzutäuschen.

Heinz Rühmann, Hans Albers, Elisabeth Flickenschild und viele mehr: Wer kennt sie nicht, die Namen auf der „Gottbegnadeten Liste“, Künstler, die dem NS-Regime wichtig erschienen, um in der Endphase des Zweiten Weltkriegs die Bevölkerung bei Laune zu halten?

Reduzieren wir diese Schauspieler heute auf ihre Auftritte in Nazi-Propagandafilmen? Wie halten wir es mit Johannes Heesters, der nachweislich am 21. Mai 1941 mit dem Ensemble des Münchner Gärtnerplatztheaters das KZ Dachau besuchte? Er kommentierte dies auf Nachfrage so: „Ich schäme mich, dass es den Nazis gelungen ist, uns dorthin zu locken.“

Sendungen des Millowitsch-Theaters aus Köln waren in meiner Familie Kult, wir waren Teil der 90 Prozent der deutschen Bevölkerung, die begeistert vor den Fernsehern saßen. Geschichte und die Lebensgeschichte von Menschen dürfen nie einseitig und eindimensional betrachtet werden, vor allem nicht die Zeit des Nationalsozialismus. Der 1999 verstorbene Kölner Volksschauspieler Willy Millo­witsch gehört eindeutig zu den Personen der Zeitgeschichte, die sich große Verdienste um die Gattung Volkstheater erworben haben.

Bleibt noch lokalpatriotisch anzumerken, dass die Revue des jüdischen Trierer Bürgers und „Heuschreck“-Mitgliedes Louis Scheuer, „Der Klapperstorch fliegt“, vom 7. bis 26. September 1927 im Millowitsch-Theater aufgeführt wurde.

Jutta Albrecht, Historikerin, Trier

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