Gesundheit Mit Disziplin und Fantasie

Zur Berichterstattung über die Corona-Krise schreiben Beate Märtin, Jutta Just und Hella Welter:

Auch ich bin seit zehn Wochen in „angeordneter“ Telearbeit. Auch ich habe derzeit einen ausgesprochen engen Bewegungsradius, zumal, wenn bedacht wird, dass ich zwei Wohnsitze habe und normalerweise wöchentlich circa 600 Kilometer allein mit dem Auto unterwegs bin. Dabei werden Kleidung an einem, Pflanzen an einem anderen Ort gekauft. Getankt wird oft in Luxemburg.

Ich war selber überrascht, wie sehr mir diese Freiheit schon bald fehlte. Seit Anbeginn der „Krise“ schaue ich mir zweimal täglich, morgens und abends, die Entwicklung der Infektionszahlen an, weshalb mir schnell bewusst war, dass Trier sich – zum Glück – nicht zu einem Hotspot entwickelte. Schon bald habe ich daher viele Einschränkungen nicht mehr als verhältnismäßig angesehen. Ich neige – schon aufgrund meines fortgeschrittenen Alters – nicht dazu, sofort alle Gedanken einer breiten Öffentlichkeit kundzutun oder gar auf die Straße zu gehen. Allerdings bin jetzt froh, dass die Verantwortung für Einschränkungen und Lockerungen näher am Geschehen liegt. Andererseits haben wir im Verwandten- und Freundeskreis drei Covid-19-Erkrankte, einen davon leider mit tödlichem Ausgang. Es blieb und es bleibt reichlich Zwischenmenschliches auf der Strecke, ganz ohne Frage, und damit meine ich an erster Stelle die persönlichen Kontakte, das würdevolle Verabschieden von Sterbenden, das Trösten der Hinterbliebenen.

Unterschätzt habe ich ganz sicher, wie schnell sich eigene Ängste meterhoch aufbauen können. Auch dies ist eine neue Erfahrung. Es bedeutet richtig Arbeit, hier eine Balance zu halten. Vieles musste ich „schlucken“ in den letzten Wochen. Insbesondere bin ich fassungslos, wie schnell bei einigen der „wirtschaftliche“ Aspekt über die Gesundheit, das „nackte“ Überleben geht; auch, wie schnell „über 70jährige“ Tote im vorliegenden Zusammenhang als „ach so“, „na ja“ abgehandelt werden, als wären diese Verstorbenen nicht mehr lebenswerte Menschen.

Obwohl vieles bekannt war, bin ich fassungslos über die Zustände in der Pflege, die Ausstattung der Schulen und so weiter. Fassungslos sehe ich mir auch die Vertreter der Autoindustrie und ähnlicher Lobbyisten an, die es „normal“ finden, Staatshilfen zu beantragen und gleichzeitig Dividenden auszuschütten wollen. Was läuft denn da, wie lange schon, aus dem Ruder?

Wir neigen sicherlich alle zu – zumindest punktuellen – Überreaktionen. Aber das Vertrauen zu vielen Politikern ist ja nicht erst durch Corona ins Wanken geraten. Insofern nähern wir uns jetzt wohl eher wieder dem „Normalzustand“, und das ist auch gut so. Völlig verständnislos betrachte ich allerdings die Ausbrüche einiger weniger in Berlin, München, Stuttgart und anderswo. Seht bitte hin, mit wem ihr euch gemeinmacht. Hört auf damit, uns alle zu gefährden, indem ihr zumindest den gebotenen Abstand einhaltet, und lasst so dämliche Kommentare wie „dann sterbe ich halt“ – ihr wisst nicht, wovon ihr sprecht. Ansonsten freue ich mich, dass es sie wieder gibt, die Demonstranten, die ihren Unmut laut äußern! Ich wünsche mir, dass wir alle in naher Zukunft sämtliche Aspekte, von denen ich nur einen Bruchteil andeuten konnte, aufarbeiten und auch an einigen „Denkmechanismen“ arbeiten, oder ist das zu viel verlangt? Wollen wir wirklich alle nur wieder in den „normalen“ Alltag zurück?

Beate Märtin, Trier

Es ist erschütternd. Bisher habe ich mein Augenmerk auf den Tierschutz gelenkt. Nun brauchte es eine Pandemie, dass auch Arbeitnehmer im Schlachthaus in meinem Fokus gerieten.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass das Gesundheitsamt und das Arbeitsamt alle Vorschriften überprüfen. Welch eine Illusion. Es brauchte eine Pandemie, um zu erkennen, dass ich zu vertrauensselig in unser Gesundheits- und Arbeitsrecht war.

Wie kann es sein, dass Menschen unter unwürdigen Verhältnissen so ausgenutzt werden? Das Schlimme ist, dass es mir als Normalbürger nicht bewusst war. So viel zum Vertrauen in die Politik, egal welche Partei!

Jetzt versuchen alle Politiker, die Menschen- und die Tierwürde in unser Bewusstsein zu rücken und im Wettkampf um Wählerstimmen einzusetzen. Es beschämt mich, dass ich so vertrauensselig war.

Bitte, ihr Verantwortlichen, nehmt uns mit unseren alltäglichen, normalen und verantwortungsvollen Bedürfnissen wahr! Bitte lasst uns objektiv (keine „Wildmacher“, Rechtsextreme) gegen Lobbyisten (Autoindustrie et cetera) vorgehen.

Jutta Just, Trier

Es herrscht anscheinend die Meinung, dass unsere Regierung an einzelne Gruppen (Kinder, Eltern, Alte) nicht denkt oder sie gar mit Absicht benachteiligt. Ist es nicht so, dass wir diese Katastrophe gerade durch die Vorsicht und Umsicht im Griff haben, dass nicht noch mehr Menschen krank geworden oder gar gestorben sind? Nur wegen dieser Einschränkungen und Hygienevorschriften haben wir unser Gesundheitswesen nicht überlastet.

Auch wir durften unsere Enkel und Kinder nicht treffen, in den Arm nehmen oder betreuen. Wir bewundern die Eltern, die sich dieser neuen, zusätzlichen Aufgabe (Home-Schooling, Home-Office) stellen und sie mit viel Phantasie, Organisation und Improvisation meistern. Bietet es sich jetzt, nach den ersten Lockerungen, nicht an, mit einer Freundesfamilie die Betreuung zu teilen und so das Home-Office an einigen Tagen ohne Kinder zu gestalten?

Wenn wir zurückdenken, es sind ja nur vier Monate, hat uns diese Krise mit einer gewissen „Vorlaufzeit“ erreicht. Unsere Regierung und das Gesundheitswesen konnten planen, Vorkehrungen treffen, informieren und nach bestem Wissen und Gewissen die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, mit vielen Einschränkungen für alle. Viel eher als befürchtet kann mit verantwortbaren Lockerungen das Leben wieder freigegeben werden.

Ich frage mich, was wäre, wenn es sich statt um ein Virus um ein Erdbeben, ein verheerendes Unglück, gehandelt hätte. Wenn wir nicht die Türen unserer Frisöre, Restaurants, Biergärten nach entsprechender Vorsorge und Umstellung wieder aufsperren und eingeschränkt wieder arbeiten könnten. Es muss nicht erst aufgebaut, die Infrastruktur, Strom und so weiter hergestellt werden. Wir konnten einkaufen, zum Arzt, viele konnten arbeiten, in die Natur, das Internet und Skypen war möglich und vieles mehr. Die Einschränkungen, die uns trafen, wollte ich nicht eintauschen gegen einen Aufenthalt im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation, da ist die Freiheit auch eingeschränkt.

Bei jedem Unglück in der Welt sind wir Spenden-Weltmeister. Geben wir doch unserem Wirt, dem Reisebüro, dem Frisör oder wer sonst im Moment nicht genug Einkommen hat, ein „Trinkgeld“, um die Unkosten zu bezahlen. Da wissen wir sogar, dass es zu 100 Prozent ankommt.

Mit Disziplin und Fantasie, nicht so viel Egoismus, kommen wir sicher besser durch die Krise.

Hella Welter, Breit

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