Kirche Negatives, aber auch Positives

Zum Artikel „Schatten der Vergangenheit“ (TV vom 3. Juni) schrieb uns Helmut Boos Folgendes:

Die Zustände im Albertinum kenne ich gut, ich war von Sexta bis zum Abitur (1964 bis 1972) dort. Von 25 Kameraden war ich der einzige Abiturient als Internatler. Das sagt schon vieles aus.

Die Gewaltausübung wurde schon öfter beschrieben und mit zehn, elf oder zwölf Jahren haben wir sie alle erfahren. In der Regel wurden diese Übergriffe später weniger, und nicht alle haben das gleiche Maß erfahren. Wenn aber die Folgen für einzelne Internatler sich so auswirken, dass ihre Person zerstört wird (Suizid) oder gestört wird (im Arbeits- und Beziehungsleben, Krankheit, psychische Leiden), dann darf sich das Bistum vor einem angemessenen „Schadenersatz“ nicht drücken.

Es wurden schließlich weitere Straftaten (!) begangen, zum Beispiel: Man hat uns unsere Taschenradios weggenommen, wenn wir beim Hören der Hitparade von Radio Luxemburg oder einer Fußballübertragung (WM 1970) erwischt wurden. Mir alleine wurden drei Radios gestohlen, denn zurückbekommen haben wir sie nie. Und auch von meinen zwei D-Mark Taschengeld in der Woche hat der Oberpräfekt jedes Mal 20 oder 50 Pfennig einbehalten, wenn wir angeblich im Silentum (= absolutes Stillschweigen bei der Hausaufgabenerledigung) gesprochen, gehustet, das Lineal zu laut aufgelegt haben und Ähnliches. Da kamen im Monat bei 50 Jungen im Studiersaal hundert und mehr D-Mark zusammen.

Für mich als älteren Internatler kam hinzu, dass ich keine Möglichkeit hatte, mit Gymnasial-Klassenkameraden an einem Wochenende etwas zu unternehmen, Geburtstag zu feiern, Freundschaften zu pflegen.

Bei all dem Leid will ich (!) aber auch erwähnen, dass es positive Erfahrungen gab wie Klassenkameradschaft, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (Basteln, Werken, Spielen und anderes) – allerdings nur im Haus – und eben die Möglichkeit zum Abitur. Das war nicht in allen Fällen im Elternhaus möglich.

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