Soziales Nein, unsachlich! – Ja, zutreffend!

Zum Leserbrief „Fassungslos und wütend“ (TV vom 4./5. April) schreiben Wolfgang Rieder, Klaus Hoffmeister und Rüdiger Gouverneur:

Kopfschütteln erzeugt Bernhard Nink bei mir, der mit seinem Leserbrief zur anstehenden Rentenerhöhung schreibt, dass er über die Rentenerhöhung fassungslos und wütend ist. Er sagt, dass er jetzt schon völlig überversorgt zulasten der jungen und mittleren Generation ist. Nun ja, mag so sein. Es steht Herrn Nink doch frei, seine Überversorgung nach eigenen Vorstellungen an seine Nachkommen weiterzureichen, an Wohlfahrtsverbände oder zur Unterstützung armer Menschen zu spenden.

Ich gehöre auch dem Rentenstand an, und ich habe über 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt. Wenn man den gewohnten Lebensstandard im Alter erhalten will, benötigt man etwa 80 Prozent des letzten Nettogehaltes. Tatsächlich erreicht die gesetzliche Rente derzeit aber nur gerade einmal 48 Prozent, und dieser Prozentsatz wird zukünftig noch absinken! Die nun angekündigte Rentenerhöhung ist kein wirtschaftsaktuelles Ergebnis und auch keine Bonuszahlung zur Unzeit. Die Mehrzahl der Rentner benötigt diesen Aufschlag, um über die Runden zu kommen. Und für viele mehr reicht die gezahlte Rente wegen der Erwerbsbiografie auch nicht zum Leben. Die persönliche Rente ergibt sich aus dem beruflichen Lebenslauf, und die Rentenversicherung sorgt bei den meisten Menschen für die alleinigen Einkünfte im Alter.

Zur aktuellen Lage sei an dieser Stelle angemerkt: Die Rentenzahlung reagiert auf Lohn- und Beschäftigungsentwicklung mit ein- bis zweijähriger Verzögerung. Das bedeutet zugleich, dass die Auswirkungen der Corona-Krise die Rente ab 2022 voll erfassen wird.

Es ist unsachlich, wenn Herr Nink die – sehr wohl berechtigten – Forderungen nach besserer Bezahlung der Pflegekräfte mit der Rentenanhebung in Verbindung bringt. Nein, Herr Nink!

Wolfgang Rieder, Bitburg

Fassungslos und wütend. Genau das bin ich auch, aber über diesen Brief. Ich habe 50 Jahre gearbeitet und bekomme eine Rente, die zum Lebensunterhalt reicht, aber mit der ich keine großen Sprünge machen und auch nicht jährlich in Urlaub fahren kann. Herr Nink sollte, bevor er sich seine Empörung von der Seele schreibt, informieren, dass die Rente nichts mit den Armutslöhnen zu tun hat. Kein Euro weniger Rente würde diesen Niedriglöhnern zugute kommen, weil die gesetzliche Rente nun einmal nichts mit der Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung zu tun hat.

Die Empörung von Herrn Nink sollte sich gegen den Gesetzgeber richten, der es nicht zustande bringt, einen auskömmlichen Mindestlohn festzusetzen. Wenn er zu viel Geld hat, dann soll er eben spenden, vielleicht kann er damit sein Gewissen erleichtern, aber bitte nicht den Rentnern ein schlechtes Gewissen einreden!

Klaus Hoffmeister, Morscheid

Der Kommentar meines ehemaligen Musiklehrers Bernhard Nink ist vollkommen zutreffend.

Eine allgemeine Erhöhung der Rentenbezüge ist grundsätzlich begrüßenswert. Diese ist für eine gewisse Anzahl von Rentnern sicherlich notwendig, um sich weiter gerade so über Wasser zu halten. Für eine Vielzahl von Rentnern beziehungsweise Pensionären ist eine weitere Erhöhung jedoch unangebracht, weil eine völlige Überversorgung bereits besteht.

Gerade in der jetzigen (Corona-)Situation mit einer sicher eintretenden enormen Belastung für alle Sozialkassen in Deutschland wäre eine Aussetzung oder Verschiebung dieser Erhöhung zu debattieren gewesen.

Sicher war diese Erhöhung von langer Hand geplant, und sie wäre so kurzfristig schwer zu verhindern gewesen. Man muss sich dabei auch im Klaren sein, dass Politik so einfach (leider) nicht funktioniert.

Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, den Solidargedanken der Generation über 65 auf die Probe zu stellen, welchen ich pauschal nicht in Abrede stellen möchte. Sie wurde in diesem Fall gar nicht erst gefragt.

Solidarität hört ja bekanntlich beim Griff in das eigene Portemonnaie in der Regel auf.

Es ist vergleichbar mit dem Ruf nach Ausbau der erneuerbaren Energien, welcher auch leiser wird, wenn zum Beispiel ein Strommast in der Nähe des eigenen Hauses zum Stromtransport gebaut werden soll ...

Das Einsparen der Rentenerhöhung in diesem Jahr wäre für die Allgemeinheit während der Corona-Krise sicher ein guter Beitrag gewesen – vielleicht sogar ein besserer als Lieder vom Balkon zu singen, welches ich aber zur spürbaren Verbesserung des Gemeinschaftsgefühls auch nicht kleinreden möchte.

Rüdiger Gouverneur, Trier

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