Landwirtschaft Nicht ohne Verluste

Zur Berichterstattung über den Protest der Bauern gegen die neue Düngeverordnung schreibt Alexander Bohr:

Um eins vorweg zu nehmen: Wasser ist das wichtigste Lebensmittel. Nur satt macht es alleine nicht und führt dem Körper nicht die notwendigen Kalorien zu. Auch die angedrohten Zwangsgelder von Brüssel sind ein nicht zu vernachlässigendes Argument für Maßnahmen, die die Werte an den Messstellen verbessern. So sollen in den sogenannten roten Gebieten besondere Regeln gelten. Ich will nur die gravierendste anführen. Hier sollen die Pflanzen 20 Prozent unter dem errechneten Stickstoff­entzug gedüngt werden. Aus pflanzenbaulicher Sicht ein nicht nachvollziehbarer Schritt. Selbst in einem Gewächshaus, einem geschlossenen System, gelingt es nicht, ohne Düngerverluste zu arbeiten. Und so kann in einem offenen System, wie es auf dem Feld vorliegt, Pflanzenernährung nicht ohne Verluste stattfinden. In der Theorie kann es zum Beispiel beim Weizenanbau sogar noch einige Jahre gelingen, die Höhe der Erträge in Dezitonnen pro Hektar
(dt/ha) aufrechtzuerhalten.

Warum gelingt dies? Mit Hilfe ackerbaulicher Maßnahmen lässt sich der im Boden befindliche Humus wieder durch Mineralisation in frei verfügbaren Stickstoff und CO2 umwandeln. Nach einigen Jahren wird dann der Ertrag ganz schnell zurückfallen, weil die Bodenvorräte an Humus erschöpft sind.

Abgesehen von den anderen negativen Folgen eines geringeren Humusgehaltes in der Ackerkrume lebt man also von der Substanz. Dazu kommt aber noch, dass man keineswegs die am Markt verlangte Qualität erreicht; der Eiweißgehalt wird extrem zurückgehen.

Auf Dauer wird sich ein Ertragsrückgang um mindestens 20 Prozent einstellen (eher höher, da man mit Hilfe der Düngung oftmals negative Auswirkungen von Wetterereignissen und Bestandsentwicklungen ausgleichen kann). Was aber bedeuten 20 Prozent weniger Ertrag? Sie bedeuten auch 20 Prozent weniger Umsatz (eher mehr, weil die geforderte Qualität nicht erreicht werden kann und damit der Preis pro Dezitonne sinkt). Und hier stellt sich die Frage, wovon die Kosten für Maschinen, Saatgut, Pflanzenschutz, Landpacht, Angestellte beglichen werden sollen, da diese weitgehend gleich bleiben, egal ob 100 dt/ha oder nur noch 80 dt/ha geerntet werden. Daher wird der Gewinn deutlich zurückgehen, sogar wahrscheinlich ins Negative rutschen, denn es ist nicht davon auszugehen, dass der Verpächter auf einen Teil der Pacht verzichten wird, genauso wie der Azubi auf sein Gehalt angewiesen ist. Von daher ist es eigentlich unvorstellbar, wie leichtfertig hier mit der Lebensgrundlage der Bauern umgegangen wird, da nicht an Ausgleich oder Entschädigung gedacht ist.

Und das Schlimmste ist: Aus fachlicher Sicht werden die jetzt ergriffenen Maßnahmen und Verordnungen das Ziel des Gewässerschutzes eher nicht erreichen, da die Ursachen oft an ganz anderen Stellen liegen.

Alexander Bohr, Dipl.-Ing. (FH), öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für den Ackerbau, Bohrshof, Welschbillig

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