Natur Ohne Gefühl, Sinn und Verstand

Zu einem Leserbrief unter der Überschrift „Treten Sie zurück, Frau Höfken!“ (TV vom 21./22. November) schreiben Hans-Josef Koltes und Dr. Ernst Cleven:

Ich bin dankbar, was Winfried Herberich ausdrückt: Ja – die Straßenmeistereien „wüten rechts und links … bis tief in die angrenzenden Flächen hinein“. So ist es! Es geht hier nicht um das Stutzen von massenhaftem Fichtenanflug an Waldstraßen, der zugegeben die Sicht auf Wild oder sonstige Gefahren verhindert, es geht um etwas viel Sensibleres: Es werden – ohne Gefühl, Sinn und Verstand – für das Ökosystem äußerst wertvolle alte bis uralte Wildobst-Bäume einfach massakriert oder ganz abrasiert. Gerade diese wuchsen in unserer großflächig ab- und ausgeräumten Feldflur, einer Agrarwüste (elender Mais!), bisher noch relativ unbehelligt, vorzugsweise an Straßenrändern. Sie stören weder den Autoverkehr noch sonst jemanden, außer wohl die Straßenverwaltung.

Verkehrssicherungspflicht? Lachhaft, wenn´s nur lachhaft wäre. „Wüten“ ist der treffende Ausdruck. Die Straßenmeistereien sind in Landesbesitz. Ist diese schlimme Sache vom Umweltministerium gedeckt oder bloß ignoriert? Wer gebietet Einhalt? Das Ministerium ist offenbar mit seinem „Nationalpark“ zu beschäftigt, um im Kleinen genauso wichtige Dinge im Auge zu haben.

Hans-Josef Koltes, Neuhütten

Ich möchte Winfried Herberich beipflichten, dass die Straßenmeistereien mit ihren Fäll- und Schneideaktionen „wüten“. Seit circa vier Jahren (und nicht nach zehn Jahren wieder einmal!) fällt mir dieses „Wüten“ alljährlich auf – nicht nur im Herbst, ebenso im Frühjahr. Und nicht nur an den Sträßchen und Straßen, auch an den Autobahnen achte man auf die Stümpfe von Baum und Busch – wenn diese denn nicht gleich bis in den Untergrund gerodet werden. Nein, es kommt nicht von ungefähr, dass dieses „Wüten“ vermehrt auffällt, und, nein, es werden nicht nur Büsche und Bäume verstümmelt und gerodet, die „krankhaft, windbruch-geschädigt, mit Totholz behaftet und bereits abgestorben“ sind (Landesbetrieb Mobilität, kurz LBM). Und dann wird auch noch gemäht, fünf bis sechs Meter tief, dass nur ja kein Hälmchen ... Grün kaputt! Lebensraum ade! Nach Aussage des LBM dient dies alles der Sicherheit und (aufgepasst!) „Leichtigkeit“ des Verkehrs. Schnittgut und Bäume werden gehäckselt und verbrannt. Kommt da womöglich der wahre Grund für das verstärkte Holzen zum Vorschein? Die billige Gewinnung von Holzhäckseln, die vermarktet und als „Alternativ-Energie“ grün-politisch verbucht werden. Weil ja „bei dessen Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie zuvor während der Wachstumsphase im Baum fixiert wurde“. Doch das ist bei der Verbrennung von Stein- und Braunkohle nicht anders: Auch dabei wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie während des Wachsens der Farn- und Bärlappwälder, der Bäume und Sträucher in und vor Millionen von Jahren von diesen festgelegt wurde. Die Verbrennung einer heute vom LBM am Straßenrand gefällten, zum Beispiel 80-jährigen Esche setzt so viel CO2 frei, wie diese in 80 Jahren aus der Atmosphäre entnommen, in Holz fixiert und somit entsorgt hat. Diese Freisetzung geschieht allerdings in nur einem einzigen Winter!

Den Mitarbeitern vom LBM kann man keine Vorhaltungen machen, sie beten nur nach, was „Leistungshefte“ vorbeten. Aber von höheren Stellen sollte man erwarten, dass verinnerlicht ist, dass wir im Jahre 2020 bei Lebensraum- und Artenrückgang sowie Klimawandel bereits angekommen sind. Nur die grünen Pflanzen (und einige Bakterien) sind in der Lage, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen und zu entsorgen. Deshalb gehören Sträucher und Bäume geschont und gefördert – und Windräder nicht in den Wald!

Dr. Ernst Cleven, Meisburg

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