Politik

Zum Interview mit Kathrin Göring-Eckardt und zum Kommentar "Warum Grün wählen?" (TV vom 12. November):

Das Ergebnis der Urwahl bei Bündnis 90/Die Grünen ist keine Überraschung, sondern ein voraussehbares Zeichen für Schwarmintelligenz bei offener und ehrlicher Mitglieder-/Bürgerbeteiligung. Die Piraten werden uns noch ganz andere Formen von erfolgreicher Basisbeteiligung lehren, die schlussendlich die Überlegenheit der Demokratie gegenüber staatsmonopolischen Systemen belegt. Machthunger führender Politiker, ihr Bestreben nach immer mehr Ämtern und zu langes Festhalten an bestehenden Mandaten ist ein typischer Prozess, von dem keine Partei frei ist - auch die Grünen nicht! Aber weder für Claudia Roth als Parteivorsitzende noch für Renate Künast als Fraktionsvorsitzende ist der Ruf in irgendeiner Weise beschädigt worden. Die Basis hat lediglich eine Ämtertrennung angemahnt, insbesondere auch die Trennung von Parteiamt und einem Mandat, das Bürger bei allgemeinen Wahlen übertragen. Nachgedacht werden sollte darüber, wie viele Menschen jetzt Verantwortung in bundespolitischen Führungspositionen haben, die eng mit der evangelischen Kirche verknüpft sind und lange Zeit unter der Staatsdiktatur in Ostdeutschland gelebt haben (Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Präsident des Bundesamtes für Justiz). Ich erlebe, dass für diese Menschen obrigkeitsstaatliches Verhalten wesentlich selbstverständlicher ist als für mich, die ich unter sozialdemokratischen und katholischen Rahmenbedingungen aufgewachsen bin. Ich gehe davon aus, dass das Interview mit Kathrin Göring-Eckardt autorisiert ist, und somit auch folgendes Zitat von ihr korrekt ist: "Wir wären verrückt, denen zu sagen, wir machen es mit den Schwarzen." (Mit "denen" sind insbesondere enttäuschte Wähler von FDP und CDU gemeint). Die Überschrift und die gesamte Tendenz der aus diesem Zitat folgenden weiteren Kommentierung sind aber nicht lauter. Ich gehe davon aus, dass die Grünen sich sehr wohl für eine künftige rot-grüne Koalition im Wahlkampf einsetzen. Tatsächliche Koalitionen aber hängen von sich später ergebenden Mehrheitsverhältnissen ab, die möglicherweise nur eine einzige halbwegs vernünftige Umsetzung des Wählerwillens zulassen werden: eine schwarz-grüne Regierungskoalition. Eine Kampagne zu führen, dergestalt, dass jetzt falsche Fakten plakativ gedruckt werden (wie die Überschrift "Wir machen es nicht mit den Schwarzen"), um dann später zu polemisieren: "Wieder eine Politikerlüge, diesmal bei den Grünen" - das wäre nicht lauter (unseriöser Journalismus, der auch in konservativen Zeitungen immer häufiger vorkommt)! Dr. Agnes Tillmann-Steinbuss, Speicher

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