Prall, fröhlich, unverkrampft

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Diesmal zwei Zuschriften zum selben Thema: englische Wörter in der deutschen Sprache!

Helmut Bodes aus Kinderbeuern meint: Mein Vater ist 78 Jahre alt, hat Schmied gelernt und natürlich kein Englisch, war überhaupt wenig in der Schule in den Kriegsjahren. Menschen wie mein Vater haben den Staat erarbeitet, auf dem der spätere Wohlstand aufbaute. Diesen Staat verstehen sie jetzt nicht mehr. Er fragt mich oft, was ist denn das: das Internet? Der iPod? Millionen Menschen wie mein Vater haben ein Recht darauf, zu verstehen, was die Zeitungen schreiben. Bitte in Deutsch oder in Klammern übersetzt. Was iPod ist, weiß ich auch nicht! Schlimm, aber wahr.

Der Schriftsteller und "Sprach-Papst" Wolf Schneider schreibt aus Berlin: Der Überdruss an albernem oder unverständlichem Englisch in Werbung, Wirtschaft, Wissenschaft wächst, und die Aktion "Lebendiges Deutsch" leistet seit Februar 2006 einen Beitrag dazu. Natürlich haben wir bei unseren Angeboten an die deutsche Sprachgemeinschaft nicht nur Volltreffer gelandet - aber die 20 Vorschläge der beiliegenden Liste (siehe unten) haben in Presse und Funk, auf Schulen und Universitäten und nicht zuletzt bei Google ein lebhaftes Interesse gefunden. Könnten Sie sich vorstellen, die kleine Liste Ihren Lesern zugänglich zu machen? Viele, behaupten wir mal, würden sich freuen über diesen fröhlichen Zugang zu unverkrampftem Deutsch.

Lieber Herr Bodes,

lieber Herr Schneider,

vielen Dank für Ihre Briefe, die ich mit Interesse gelesen habe und mit einem "Ja, aber " beantworten möchte.

Richtig und wichtig: Sie erinnern beide an eine goldene Regel des Journalismus: verständlich schreiben!

Der legendäre Verleger Joseph Pulitzer (1847 bis 1911) notierte: Schreibe kurz, und sie werden es lesen, schreibe klar, und sie werden es verstehen, schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis behalten.

Ein schöner Merksatz. Hundert Jahre nach Pulitzer ist die Welt komplizierter, das Zeitgeschehen verzwickter denn je. Also: erklären, erklären, erklären. Darum bemühen sich die Redakteure des Volksfreunds, und sie bemühen sich, so zu schreiben, dass es jeder versteht. Dazu gehört, mit dem Handwerkszeug - der Sprache - sorgfältig umzugehen, Fremdwörter zu vermeiden oder zu übersetzen, es den Lesern so einfach wie möglich zu machen.

Allerdings: Die Anglo-Manie grassiert, täglich prasselt "Denglisch" auf uns herein. Zum Beispiel, wenn Interview-Partner davon schwafeln, dass man im "Human Ressources Department" (Personalabteilung) über "Customer Relation ship" (Kundenbetreuung) und "Corporate Identity" (Unternehmensbild) nachgedacht habe. Zum Beispiel, wenn Veranstalter ihre Weltläufigkeit demonstrieren wollen, indem sie eine Radler-Veranstaltung "Happy Mosel" nennen. Zum Beispiel, wenn Unternehmen ihre Produkte "iPhone" nennen (ein mobiles Telefon des US-amerikanischen Herstellers Apple).

Oft ist die Nennung des Original-Begriffs unvermeidlich, bei Marken-Namen etwa. "Happy Mosel" ist eine Marke, "iPhone" ist eine Marke. Oder denken Sie an den Fußball: Wer die "Champions League" in eine "Liga der Meister" verwandelt, läuft Gefahr, mehr Verwirrung zu stiften als Klarheit zu schaffen. Es gilt: So wenig Fremdwörter wie möglich, so viel übersetzen wie möglich, aber keine Deutschtümelei!

Der natürliche Sprachwandel lässt sich ohnehin nicht aufhalten. Im Mittelalter war Latein in deutschen Landen das "non plus ultra", im 17. und 18. Jahrhundert galt Französisch als "chic", heute hat Englisch den größten Einfluss. "Job" oder "Make-up" waren einst Fremdwörter; sie gehören längst zur Umgangssprache. Für viele Dinge, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab, mussten neue Wörter gefunden werden - das sind, im Zeichen der Globalisierung, oft englische Ausdrücke. Rund 7000 haben Sprachforscher gezählt.

Das Ziel, den modischen Anglo-Firlefanz zu verbannen und durch deutsche Wörter zu ersetzen, ist löblich. Ob sich allerdings "Schnellkost" statt "Fastfood" oder "Klapprechner" statt "Laptop" durchsetzen werden, ist fraglich. Das entscheidet letztlich jeder einzelne der rund hundert Millionen Menschen, die deutsch sprechen und schreiben.

Die Liste der "20 prallen deutschen Wörter", vorgeschlagen von Wolf Schneider und der Aktion "Lebendiges Deutsch":

statt vielleicht besser
:

Airbag Prallkissen

Bad Bank Giftbank

Blackout Aussetzer

Brainstorming Denkrunde

Coffee to go Geh-Kaffee

Computer Rechner

Counter Schalter

Discounter Billigmarkt

Dumping-Lohn Hohnlohn

Dumping-Preis Kampfpreis

Equipment Ausrüstung

Factory-Outlet Werkverkauf

Fastfood Schnellkost

Junkbond Schrottanleihe

Laptop Klapprechner

Online/offline im/vom Netz

Pay-TV Zahlkanal

Service-Point Auskunft

Spam E-Müll

Website Netzauftritt

Schauen wir doch in - sagen wir mal - 20 Jahren nach, was aus den 20 prallen Wörtern geworden ist. Fröhlich und unverkrampft. Schönes Wochenende!

Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur

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