RELIGION

Zur Serie "Glaube und Gewalt" und zum Leserbrief von Pfarrer Thomas Berke (TV vom 28. Januar):

Was ist das Ziel dieser Serie? Mir erschließt sich der Sinn nicht. Ich bin keine studierte Theologin, habe aber über Jahrzehnte evangelischen Religionsunterricht erteilt. Dabei ging es nicht um "Machtfragen", sondern um das "Nachfragen". Wer nicht mehr nachfragt, wird leicht zur Schachfigur im Spiel der Mächtigen, die Religion für ihre Ziele missbrauchen. Dieser Missbrauch ist so alt wie die Menschheit. In der Serie fehlt aber die saubere Unterscheidung zwischen Religion als Glaube und Religion als Machtmittel. Mir jedenfalls war es immer wichtig, Altes und Neues Testament nicht getrennt voneinander zu sehen. Wenn man das Alte Testament als die Bibel Jesu begreift, lernt man auch die furchtbaren Geschichten darin mit seinen Augen zu sehen. Und gerade das macht den mündigen Christen aus, dass er sich nicht die "Geschichten der Macht" aus biblischen Texten herauspickt, sondern das Ziel von Religion (auf Deutsch = "Beziehung") mitträgt: "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung". Aus dem Blickwinkel des Neuen Testaments erhalten Geschichten des Alten Testaments eine neue Betrachtungsweise. Das führte im Unterricht mit Jugendlichen oft zu interessanten und tiefgründigen Gesprächen. Mir fehlt in den Essays dieser Blick auf Jesus Christus. In keiner anderen Religion nimmt "ihr Gott" alle Schuld auf sich und geht dafür in den Tod. Die Taufe als "paulinischen Geniestreich" zu bezeichnen, finde ich sehr vermessen. Sie ist ja zumindest nicht seine Erfindung! Die Taufe ist das Sakrament, das evangelische und katholische Christen gegenseitig anerkennen und das sie verbindet. Renate Kirchen, Rektorin i.R., Hirzlei Dass ausgerechnet ein Repräsentant der "höchsten aller nur denkbaren korrupten Institutionen" (Nietzsche) dem TV mit dem moralischen Zeigefinger droht ("Vorsicht, lieber Trierischer Volksfreund!"), ist eine Frechheit. Gemeint ist Pfarrer Thomas Berke aus Mülheim/Mosel. Die Ausführungen des Herrn Pfarrers strotzen vor Fehlern und Unwahrheiten. Adolf Hitler war kein Atheist, sondern blieb bis zu seinem Tode katholisch. Er wurde von seiner Mutter römisch-katholisch erzogen, ist nie aus der Kirche ausgetreten und zahlte bis zur Machtergreifung seine Kirchensteuer. Auch wurde er nie exkommuniziert, sondern nur einmal verwarnt (hört, hört!), weil er bei der Hochzeit von Goebbels mit dessen in erster Ehe geschiedener protestantischer Ehefrau als Trauzeuge fungierte. Ein Glaubensbekenntnis der besonderen Art kann man in "Mein Kampf" nachlesen: "So glaube ich heute im Sinne des Allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn." So denkt kein Atheist. Der andere erwähnte "gottlose" Diktator und Massenmörder Stalin war sogar orthodoxer Priesterseminarist. Des Weiteren schreibt der Verfasser: "Die Zahl der Opfer des Atheismus beträgt seit 1917 einige Hundert Millionen!" Ja - sind Sie denn noch ganz bei Trost? Die allerkatholischsten Spanier verwandelten die halbe Welt im Namen Christi in ein riesiges Schlachthaus. Aus religiösem Fanatismus und Geldgier wurden allein in der Neuen Welt Millionen Indios bestialisch zu Tode gequält und ausgerottet. In der Alten Welt ermordeten, folterten und verbrannten die Christenmenschen Millionen Andersgläubige, Gelehrte, Ketzer und Hexen. Das ist nicht nur vereinzelte "Gewalt durch fehlgeleitete Christen in fataler Unkenntnis der Botschaft Jesu" (Berke), sondern vielmillionenfaches Massakrieren armer unglücklicher Menschen, welche das Pech hatten, in die Fänge der Konquista oder der Heiligen Inquisition zu geraten. Alles geplant, alles gefördert und alles sanktioniert von der allein heilbringenden, unfehlbaren, selig machenden Kirche - und das über viele Jahrhunderte hinweg. Bei den meisten ihrer Opfer konfiszierte die Kirche deren Vermögen gleich mit. Dieses Blutgeld ist vielerorts der Grundstock für den heutigen Reichtum der beiden Großkirchen. Anstatt sich zu entschuldigen und finanzielle Wiedergutmachung zu üben, lassen sich die Kirchen aufgrund "alter Rechte" in parasitärer Manier mit 17,2 Milliarden Euro jährlich vom deutschen Staat aushalten. Ohne jeden Zweifel veranstaltete die Kirche "die größten Blutbäder der Menschheitsgeschichte" (Berke). Deshalb haben sie und ihre Vertreter jegliche moralische Legitimation, andere anzuklagen, für immer verloren. Reimund Weichsel, Wallendorf

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