Religion

Zur Berichterstattung und zu Leserbriefen über die Situation der katholischen Kirche, insbesondere zur Diskussion um Reformen:

Bei dem Thema Kirchenkrise verhält man sich wie eine Katze, die um den heißen Brei herumläuft. Jeder kennt den Wahlspruch der Aufklärung nach Kant: Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Zwangsläufig stellt sich für den gebildeten Menschen die Frage, ob kirchliche Tradition mit der Aufklärung auf einen Nenner zu bringen ist. Wer es ernst meint, setzt sich zunächst kritisch mit der Tradition und Geschichte der Kirche auseinander. Und wer die Geschichte der Kirche kennt, der wird an ihren Widersprüchen nicht nur zweifeln, sondern eher noch verzweifeln. Und ausgerechnet jetzt sollte man "Visionen einer menschlichen Kirche" entwickeln, wo Kriege und Papsttum durch ihre ganze Geschichte hindurch untrennbar verbunden waren? Schon der heilige Augustinus, einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike, sinnierte: "Was hat man denn gegen den Krieg? Etwa dass Menschen, die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?" Selbst der Reformer Luther gab der Gewalt seinen Segen: "Die Hand, welche das Schwert führt und tötet, ist ... nicht mehr eines Menschen Hand, sondern Gott henkt, rädert, enthauptet, tötet und führt den Krieg." (zur Frage, ob man als Soldat in einem Gott wohlgefälligen Stand lebt.) Selbst ein amerikanischer Präsident sah bei seinem "Sturm auf Bagdad" einen göttlichen Auftrag. Es scheint ein spezifisch religiöses Problem zu sein, wo Doppelzüngigkeit bis hin zur Umfälschung der Geschichte zum Markenzeichen gehört. Aus Ohnmacht wurde Macht, aus Unwert wurde Wert, aus Heroismus wurde Demut, aus kriegerischer Vergangenheit wird Friedfertigkeit (Karl Jaspers in "Nietzsche und das Christentum"). Es ist diese Doppelzüngigkeit, die Überdruss und schließlich Ignoranz erzeugt. Ähnliche Ambitionen überkamen Goethe, als er über seine Studien resümierte: "Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte." Wolfram Bauer, Nittel-Rehlingen Zum Leserbrief "Der zweite Verrat" von Franz Schönberger(TV vom 21./22. Mai): In der Hierarchie der römisch-katholischen Kirche gehörten bis zum Ende des Vatikanum II die Tugenden Ehrfurcht und Gehorsam zum Selbstverständnis. Für einige Bischöfe und Kardinäle gilt dies offenbar gar nicht mehr, insbesondere dem Heiligen Vater gegenüber. Hier nur ein Beispiel zum Verhalten der deutschen Bischöfe (Bischof= episcopus, zu Deutsch: Aufseher) bezüglich der Liturgie des heiligen Opfers: Papst Benedikt XVI. hatte sinngemäß dekretiert, dass die lateinischen Wandlungsworte bei der Messfeier "… qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum" in der Landessprache, auch im deutschsprachigen Raum, nur mit korrekter Übersetzung der Heiligen Schrift verwendet werden sollen. Also: "... das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Dabei steht "das" für das heilige Blut. Mit konstanter Beharrlichkeit wird in deutschen Bistümern nach bischöflicher Anweisung und dem nachkonziliaren Missale jedoch gelesen " … das für alle vergossen wird". Wenn es richtig wäre, dass der Erlöser für alle, so auch für die unreuigen Sünder, Kriegsverbrecher, Mörder, Kirchenverfolger sein Blut vergossen hätte und nicht nur für "viele", die guten Willens sind und ihre Sünden bereuen, stünde im lateinischen Text mit Sicherheit "pro omnibus" und nicht "pro multis". Sinngemäß gilt das auch für den griechischen Urtext der Bibelstelle Mk 14, 26-31. "Alle" würde theologisch bedeuten, dass es weder Hölle noch Reinigungsort (Fegefeuer) gäbe, nämlich dass "alle" durch das vergossene Blut Christi ohne ihr eigenes Zutun in den Himmel kämen. Ergo, ein klassischer Fall von Häresie (Irrlehre) und Ungehorsam dem Heiligen Vater gegenüber. Erfreulicherweise haben die Herausgeber des neuen Gotteslobes nun nach jahrelangem Widerstand etlicher Bischöfe den häretischen Wandlungstext wieder in seine ursprüngliche Übersetzung gebracht. In der Schweiz war das übrigens eine Selbstverständlichkeit. Hans Reuter, Zerf

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