Ross und Reiter

Zum Kommentar "Der Fall Merkel" (TV vom 5. März):

Könnten wir uns vorstellen, dass Belgien nach dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg die Bewohner von Eupen, Malmedy und St. Vith samt und sonders aus dem hinzugewonnenen Staatsgebiet entfernt hätte? Den deutschsprachigen Elsässern und Lothringern blieb wenigstens die Wahl zwischen den Nationalitäten. Anders in Ostpreußen, dem Ermland oder Westpreußen, Schlesien oder dem Sudetenland. Die Menschen, die dort 1945 Haus und Hof, nicht selten sogar ihre Familien verloren haben, sind - lange vor dem Fall der Mauer - scharenweise in ihre Dörfer und Städte gefahren und haben den Bewohnern ihrer Häuser, ihrer Wohnungen, den Bauern auf ihren ehemaligen Äckern die Hand gereicht und häufig sogar feste Freundschaften mit den neuen Besitzern oder Bewohnern geschlossen. An dieser positiven Entwicklung haben die Kreisgemeinschaften (Tilsit, Rößel, Allenstein...), die Landsmannschaften und der viel geschmähte Bund der Vertriebenen (BdV) einen gehörigen Anteil. Auch seine Vorsitzende, Erika Steinbach! Die tausendfache persönliche Begegnung wurde zum gelungensten und kostengünstigsten Versöhnungswerk der Nachkriegsgeschichte! Frau Steinbach hat vor allem deshalb gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und gegen die Aufnahme Polens in die EU gestimmt, weil tragfähige Regelungen für unzählige Eigentumsfragen zwischen den Staaten erst noch getroffen werden müssen. In dieses Vakuum stieß nun die "Preußische Treuhand" vor und rechtfertigt nachträglich das Stimmverhalten der CDU-Abgeordneten, die sich dennoch deutlich von der Treuhand distanzieren.

Erika Steinbach mit Richard Williamson zu vergleichen oder sie als SS-Puppe zu verbrennen, stößt nicht nur bei Vertriebenen und deren Nachfahren auf Unverständnis und Unbehagen. Es könnte sogar das groß angelaufene Versöhnungsbemühen diesseits und jenseits der Oder-Neiße-Linie empfindlich stören. Wie gut, dass der TV in seinem Kommentar Ross und Reiter bei ihren Namen nennt!

Hanns-Georg Salm, Gondenbrett

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