Gesundheit Rücksicht ist gefragt, nicht Ignoranz

Zur Berichterstattung über die Corona-Pandemie, insbesondere zum Thema Impfpriorisierung in Rheinland-Pfalz, schreiben Moritz Müller und Lorenz Müller:

Mit zunehmender Fassungslosigkeit nehme ich zur Kenntnis, wer laut der Landesregierung priorisiert geimpft werden soll. Dass zuerst die besonders vulnerablen Gruppen geschützt werden müssen, steht außer Frage. Erstaunlich ist es allerdings, wie die Priorisierungsempfehlungen des Bundes in Rheinland-Pfalz ohne jeglichen medialen Aufschrei ausgeweitet werden. Vielleicht liegt es daran, dass sich inzwischen auch alle medial tätigen Personen registrieren lassen können. Dazu alle Personen im Bankgeschäft (vermutlich will man so schnell wie möglich raus aus dem Home-Office) und im öffentlichen Dienst – ja, sogar diejenigen, die 20 Jahre alt sind und nicht im Entferntesten in die Nähe von Kunden kommen. Die Liste ließe sich immer weiter führen mit sogenannten sensiblen Berufsgruppen.

Wie kommt die Landesregierung zu einer solchen Priorisierung? Das Argument, dass diese Gruppen wegen ihrer besonderen Systemrelevanz geschützt werden müssen, kann nach einem Jahr Pandemie nun wirklich nicht mehr gelten. Vor allem die staatliche Verwaltung konnte ihre Arbeit, verglichen mit vielen um ihre Existenz bangenden Menschen, nahezu uneingeschränkt fortführen. Außerdem bestand nun ein Jahr lang die Möglichkeit, sich auf den Fall vorzubereiten, was passiert, wenn in einer Behörde Corona ausbricht. Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, wird in manchen Behörden jedoch auch heute noch kein besonders großer Wert auf Infektionsschutz gelegt. Der Lohn dafür: eine Priorisierung beim Impfen. Schüler sitzen den ganzen Tag mit Maske in der Schule – wenn sie nicht gerade zu Hause sind und überhaupt keinen Unterricht haben. Sie sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit Corona zu infizieren. Dazu kommt die Sorge, die eigenen Eltern anstecken zu können. Doch was sind schon Schüler? Bloß eine Gruppe junger Menschen, die ohnehin zum Großteil noch nicht wählen dürfen – keine Gefahr für die Regierung. Man kann sie also getrost vernachlässigen, wie man es schon die ganze Pandemie über getan hat. Und was ist mit den Eltern der Schüler, die jeden Tag einem nicht geringen Risiko ausgesetzt sind? Wer setzt sich für sie ein? Und für all die Menschen, die ebenfalls keinen direkten Draht zu den Entscheidungsträgern haben? Die Liste der Nicht-Priorisierten, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an Corona zu erkranken (und ja, auch junge Menschen gehören dazu), könnte immer weiter geführt werden. Die derzeitigen Pläne für die Priorisierungsgruppe drei sind in Rheinland-Pfalz in weiten Teilen politischer Natur, sie gehen weit über die vulnerablen Gruppen hinaus.

Ich freue mich für jeden Menschen, der den Zugang zu der Impfung bekommt. Doch als Landesregierung die Wertigkeit von Leben gegeneinander auszuspielen, ist ethisch äußerst verwerflich. Als Student habe ich mich schon lange damit abgefunden, dass unsere Gruppe nicht beachtet wird und ganz hinten anstehen muss. Wenn ich jedoch diesen Lobbyismus bei den Priorisierungen sehe, fällt es mir zunehmend schwerer, meine Enttäuschung zurückzuhalten. Die vulnerablen Gruppen und diejenigen, die einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind, sollten natürlich priorisiert geimpft werden. Aber Banker, Beamte und viele mehr gehören nicht kraft ihres Amtes diesen Gruppen an! Doch fast noch erschreckender ist es, dass es scheinbar niemanden interessiert – auch nicht im Bereich der Medien.

Moritz Müller, Föhren

Sicher, die Pandemie verlangt uns viel ab. Den einen mehr als den anderen. Aber es waren vor allem die Jungen, die aus Rücksicht auf die gefährdeteren, älteren Menschen auf vieles verzichtet haben. Sie haben dies in ganz überwiegendem Maße hervorragend getan und waren nicht die Partysuperspreader. Im letzten Herbst gab es in einem Nachbarkreis einen Ausbruch, nach einem 50. Geburtstag, nicht eben jugendlich. Und jetzt jeden Tag Gezeter um alte Freiheiten, Grundrechte und Befreiungen. Dass man Grundrechte nicht ohne Grund einschränken darf, stimmt. Aber gilt es jetzt nicht für die Geimpften, solidarisch zu sein und nicht nur zu fordern? Wenn durch zu viele Lockerungen für Geimpfte zum Beispiel die Busse wieder/noch voller werden, dann wird es eng für die Nicht-Geimpften, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das haben diese nicht verdient. Ich bin dankbar für alle, die durch ihren Verzicht und ihre Besonnenheit, ihren Einsatz im Supermarkt oder Krankenhaus ihren Teil dazu getan haben. Wählen wir also Rücksicht und nicht Ignoranz!

Lorenz Müller, Föhren

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