Finanzen Sagt die Ameise zur Grille ...

Zur Berichterstattung über die Europäische Union in der Corona-Krise, insbesondere zur Diskussion um Finanzhilfen, schreiben Dietrich Danz und Rainer Weinand:

Ich möchte an die offensichtlich in Vergessenheit geratene Kinderfabel von der Grille und der Ameise erinnern. Die Grille, das sind die „überwiegend Nehmerländer“ im Süden, die Ameise, das sind die „überwiegend Geberländer“ im Norden. Die Grille lässt es sich über den Sommer gutgehen, sie singt und tanzt. Die Ameise schafft die ganze Zeit und sammelt Vorräte für den Winter. Zu Beginn des Winters geht die Grille zur Ameise und sagt: Ich habe Hunger und nichts zu essen. Gib mir von dienen Vorräten, die reichen doch bestimmt für uns beide! Sei solidarisch! Sagt die Ameise: Na gut! Aber du musst im nächsten Jahr auch selbst beizeiten sammeln! Entgegnet die Grille: Nein, das geht nicht, du bist unsolidarisch! Misch dich nicht in meine Angelegenheiten!

So geht das seit Jahren in der EU. Wie lange geht es noch gut?!

Dietrich Danz, Trier

Man sollte doch meinen, es gäbe derzeit wichtigere Dinge, als sich um und über Geld zu streiten. Aber genau dieses Thema scheint vielen europäischen Staatsführern gerade besonders am Herzen zu liegen. So sehr, dass sie sich die Nächte um die Ohren schlagen, um darüber zu palavern, wer von wem wie viel Geld bekommen soll. Ich bin der Meinung, hier sollten sich beide Seiten überlegen, was gerade für die Menschen von wirklicher Bedeutung ist. Da sind auf der einen Seite die Italiener, die doch so brutal vom Coronavirus heimgesucht werden und trotzdem lauthals ihre Forderungen hinausposaunen; auf der anderen Seite die „wohlhabenden“ Staaten wie Deutschland, die Niederlande oder die skandinavischen Länder, die alle Forderungen mit der gleichen Vehemenz ablehnen.

In der jetzigen Zeit sollten unsere Politiker nicht darüber lamentieren, wie die Verteilung des Geldes nach der Krise vonstatten gehen soll. Zunächst einmal sollten alle an einem Strang ziehen bei der Bekämpfung des Virus, beim Entwickeln von Medikamenten und Impfstoffen und beim Herstellen von Schutzbekleidung für Krankenhaus- und Pflegepersonal, die den vordringlichsten Bedarf daran haben und an vorderster Front für unser Wohlergehen sorgen. Wenn wir die Krise hoffentlich bald überwunden haben, ist der Zeitpunkt gekommen, Bilanz zu ziehen und zu schauen, wo Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Und es würde der EU-Gemeinschaft gut zu Gesicht stehen, wenn man hier endlich einmal das engstirnige Denken in Nationalstaaten aufgeben und echte Solidarität zeigen würden. Denen, die am ärgsten von der Pandemie getroffen wurden, muss selbstverständlich auch die meiste Hilfe und Unterstützung gewährt werden. Was würde es Deutschland schon schaden, wenn wir zehn, 20 oder auch 50 Milliarden Euro für den Wiederaufbau in Italien beisteuern würden? Möglicherweise könnte durch solidarisches Denken und Handeln jenseits von Staatsgrenzen erreicht werden, dass ein echter Gemeinschaftssinn in Europa entsteht. Das wäre ein echter Gewinn! Sobald wir die Pandemie überstanden haben, sollten sich alle europäischen Regierungen darüber Gedanken machen, wie wir es erreichen können, dass „systemrelevante“ Berufe angemessen bezahlt werden. Auch muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass wichtige Güter wie Schutzbekleidung oder Medikamente wieder in Europa produziert werden, damit der Zugriff darauf gesichert ist. Das sind Dinge, über die in Europa geredet werden muss, und nicht über die heilige Kuh – das Geld. Offensichtlich ist nämlich Geld nicht in der Lage, etwas gegen das Coronavirus auszurichten. Es trifft Arme wie Reiche, so viel steht fest. 

Natürlich müssen alle EU-Mitglieder dafür sorgen, dass die Schäden an der eigenen Wirtschaft so gering wie möglich bleiben. Aber dies werden wir nur gemeinsam schaffen, davon bin ich überzeugt. Schaffen wir es nicht, in Europa echte Solidarität zu leben, dann schaffen wir die EU ab, weil jeder nur seinen eigenen Vorteil sucht und dem Not leidenden Nachbarn nicht helfen will. Ich wünsche mir sehr, dass es nicht so weit kommt.

Rainer Weinand, Maring-Noviand

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