leserbriefe Sauberer, verantwortungsbewusster Journalismus

Zum Leserbrief „Abenteuerlich­-grotesk, diskriminierend und tendenziös“ (TV vom 1./2. September) schreibt Peter Trauden:

Es ehrt den TV, dass er diesen Leserbrief von Horst Becker veröffentlicht hat. Obwohl Kommentator Werner Kolhoff darin massiv angegriffen und der Parteilichkeit beschuldigt wird. Was bitte ist denn so schlimm daran, dass ein Mitarbeiter einer Regionalzeitung sich in einer Partei – in diesem Fall der SPD – engagiert hat? Darf alles, was öffentlich-rechtlich oder in den Medien arbeitet, keinesfalls in einer Partei sein?

Da empfehle ich Herrn Becker doch mal, einen Blick auf unsere Verwaltungen zu richten. Egal, ob in den Verbandsgemeinden, im Kreis, der ADD oder den Landesstellen wird er dort nicht gerade wenige Parteimitglieder oder deren engere Verwandtschaft als Mitarbeiter antreffen. Und die sind beileibe nicht vorwiegend in der SPD. Soll man diesen auch unterstellen, sie würden ihre Arbeit allein im Sinne ihrer Partei erledigen und nicht etwa neutral jedem Bürger gegenüber, so wie es sein soll?

Werner Kolhoff hat sich in seinem Kommentar zum Thema Migration und Kriminalität bemüht, den klaren Blick zum Thema zu bewahren, keine Verallgemeinerungen zuzulassen und schon gar keine Hetze zu rechtfertigen. Dabei stellte er klar, dass Mord – egal, wer ihn begeht, ein schweres Verbrechen ist und auch so behandelt werden muss. Es geschehen tagtäglich Morde im Land, auch von Deutschen begangene. Aber stellen wir deshalb die ganze Einwohnerschaft, in der diese geschehen,  unter Generalverdacht? So wie bei „den Ausländern“?

Herr Becker schreibt, die Menschen hätten Angst vor Überfremdung und zunehmender Kriminalität. Das mag sein, aber etwas anderes blendet er völlig aus: dass ein organisierter Mob seit Jahren dabei ist, unsere demokratische Grundordnung außer Kraft zu setzen, Jagd auf anders aussehende Menschen inszeniert und Parolen schreit, die nichts zur Lösung irgendeines Problems beitragen, weil sie längst selbst zum Problem geworden sind. Und wo sind „die Menschen“? Doch wohl überwiegend dort, wo wir deren Bundesländer immer noch als die „neuen“ bezeichnen, ganz besonders aber in Sachsen. Weil dort permanent und schon in DDR-Zeiten das Neonazitum ignoriert, verharmlost und weggeschwiegen wurde. Zur Erinnerung: 1992, also direkt nach der Wiedervereinigung, berannte ein 500 Mann starkes Pack zwei Wohnheime in Rostock-Lichtenhagen, wo vietnamesische Arbeiter mit ihren Familien wohnten. Es wurden Brandsätze unter dem Jubel der Nachbarn in die Gebäude geschleudert, und es grenzt an ein Wunder, dass keine Katastrophe mit Toten und Verletzten passierte. Die Vietnamesen hatten niemanden belästigt, bedroht oder gar gemeuchelt. Aber der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) verstieg sich zu dem Satz: „Das eigentliche Problem ist die Einwanderung.“ Dieser 27 Jahre alten schändlichen Fehlinterpretation scheint sich Herr Becker nun angeschlossen zu haben.

Werner Kolhoff hat der von rechtsextremen Banden wohl gesteuerten Hysterie in seinem Kommentar das Feigenblatt entrissen. Das nenne ich sauberen, verantwortungsbewussten Journalismus.

Peter Trauden, Heilbach

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