Politik Schlechte Geschäfte unter einem ehemals guten Namen

Zur Analyse „Die SPD profitiert auch in der Corona-Krise wenig“ (TV vom 7. April) schreibt Egon Sommer:

Wie soll sie auch? Zu Recht verwendet Berlin-Korrespondent Werner Kolhoff die Begrifflichkeit „das ganze Dilemma der SPD“. Ja, es ist ein Dilemma. Die hoffnungsvolle Erwartungshaltung bei den sozialdemokratisch denkenden Bürgern und mehrheitlich auch bei den Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat sich bisher nicht erfüllt. Die Anfänge meiner 25-jährigen Parteimitgliedschaft waren nach der Ära Helmut Kohl von der Erwartung geprägt, dass es nun für das „Volk“ besser werde. Es kam anders. Die Agenda 2010 und die daraus resultierenden Hartz-IV-Gesetze machten Hoffnungen zunichte und leiteten den Untergang der SPD ein.

Was hat man falsch gemacht? Kurt Tucholsky (1890-1935), politisch engagierter Journalist, Gesellschaftskritiker, Satiriker, Lyriker, Publizist und vor allem linker Sozialdemokrat, schrieb in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg über „seine“ Partei: „Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas – : vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.“

Eigentlich wäre hiermit alles gesagt, was ist. Es ist wohl der passgenaue Vergleich Tucholskys mit der Zeit ab 1998, als neue Macher in der SPD die neue Richtung bestimmten. Einige, aber zu wenige, besitzen heutzutage in der oberen Partei-Etage das Rückgrat, den Ansatz zur Erneuerung der SPD weiter zu verfolgen. Aus dieser Überlegung heraus haben die Delegierten des Bundesparteitages 2019 Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans und nicht den in der Bevölkerung doch so anerkannten Olaf Scholz an die Parteispitze gewählt. Olaf Scholz und weitere, auch schon abgetakelte ehemalige Parteigrößen wie Schröder, Müntefering, Gabriel und noch eine Menge anderer innerparteilicher Antipoden sorgen zusammen mit dem SPD-internen „Geheimbund“ Seeheimer Kreis, dass sich keine echte „Erneuerung“ durchsetzen wird. Werner Kolhoff hat es insofern korrekt dargestellt, all die derzeitigen SPD-Akteure als mehr oder weniger unscheinbare Randfiguren des politischen Berlins zu beschreiben. Die Corona-Krise wird der SPD nicht weiterhelfen; dafür hat sie zu viel Ungerechtigkeit bei der arbeitenden Bevölkerung angerichtet.

Wer mich als Blogger aus anderen Publikationen kennt, der weiß auch um meinen Leitspruch bei allen negativen Aspekten, der da lautet: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Egon Sommer, Tawern

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