Politik Schlimmes Gezerre, erbärmliche Streitkultur

Zur Berichterstattung über die Nominierung Ursula von der Leyens für den Chefposten der EU-Kommission schreiben Wolfgang Rieder, Ulrike Möhn und Manfred Jungbluth:

Bussi, Bussi: Jean-Claude Juncker, scheidender Präsident der Europäischen Kommission, begrüßt seine (mögliche) Nachfolgerin Ursula von der Leyen vor einem Treffen in der EU-Zentrale in Brüssel.

Bussi, Bussi: Jean-Claude Juncker, scheidender Präsident der Europäischen Kommission, begrüßt seine (mögliche) Nachfolgerin Ursula von der Leyen vor einem Treffen in der EU-Zentrale in Brüssel.

Foto: dpa/Virginia Mayo

Als Bürger Europas, als überzeugter Europäer und Wähler bei der Europawahl stelle ich fest, dass die Staats- und Regierungschefs das Votum der Wähler negiert haben und ihre Macht und Funktion über das Volk gestellt haben!

Es wäre ein großer Erfolg für Europa, wenn es in dieser Legislaturperiode gelingt, durch Gesetz eine Wiederholung dieses „Machtaktes“ für die Zukunft auszuschließen. Dies würde die Demokratie in Europa stärken und die Stellung des Europäischen Rates aufwerten.

Das ist schon merkwürdig: Da bekommt Deutschland zum ersten Mal nach 52 Jahren wieder die Chance, die europäische Kommissionspräsidentschaft zu übernehmen – und dann enthält sich Berlin der Stimme. Alle anderen 27 Staaten im EU-Rat votieren indes für von der Leyen. Hintergrund dieses Kuriosums: Die SPD ist stinksauer über die Personalie. So musste Kanzlerin Angela Merkel – den Regeln der Koalition entsprechend zu diesem Schritt gezwungen – sich bei der Abstimmung enthalten. Hiernach gibt sich die SPD-Spitze entrüstet, das Spitzenkandidaten-Prinzip sei mit der Nominierung von der Leyens beerdigt worden, dies wirft die SPD der Kanzlerin Merkel vor! Und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel plädiert gleich dafür, die Regierung zu verlassen.

Dabei hat sich Merkel für Manfred Weber, Spitzenkandidat der EVP, der stärksten Fraktion im EU-Parlament, eingesetzt und, nachdem dieser im EU-Parlament und unter den Staats- und Regierungschefs keine Mehrheit finden konnte, für den Sozialdemokraten Frans Timmermans, zweitstärkste Fraktion, der sich aber auch nicht durchsetzen konnte, eingesetzt. Was wirft diese SPD denn der Kanzlerin vor?

In Deutschland wurde den Wählern im Vorfeld der Europawahl das „Spitzenkandidaten-Prinzip“ vermittelt, wonach der siegreiche Kandidat ersten Zugriff auf den Posten des Kommissionspräsidenten haben soll. In den weitaus meisten anderen EU-Staaten war dies keineswegs so kommuniziert worden. Weber war der Spitzenkandidat der siegreichen EVP. Die SPD lehnte Weber nach seinem Wahlsieg ab und votierte zuvor schon für den Niederländer Timmermans! Es hätte der SPD gut zu Gesicht gestanden, hätte sie das Wahlergebnis und den Wahlsieger Weber respektiert.

Gegen den Vorschlag der Staats- und Regierungschefs, von der Leyen als nächste Chefin der mächtigen EU-Behörde zu präsentieren, erhebt sich bei den Europaabgeordneten Protest. Am lautesten ist der Protest bei den Europaabgeordneten der SPD: „Es ist nicht das Versprechen, das den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl gegeben wurde“, sagte Katarina Barley (Europaabgeordnete SPD), und auch die Stellungnahmen des SPD-Führungstrios in Berlin zeigt eine Haltung und politische Kultur in der deutschen Sozialdemokratie, die vom deutschen Wähler zu Recht abgestraft wurde.

Aber damit nicht genug. Wenn man in diesen Tagen die vielen Interviews und Stellungnahmen deutscher Politiker zur Nominierung von der Leyens verfolgt, dann wird einem eine politische Streitkultur unter den Politikern deutlich, die weder sachlich und respektvoll noch von gutem Anstand zeugt. Im Gegenteil, als Empfänger solcher Botschaften wird einem die Verrohung des Umgangs und der Sprache verdeutlicht. Die Politiker sind gerne dabei, die Umgangsformen in den sozialen Netzwerken mit Recht zu kritisieren und um Abhilfe bemüht – ich denke, sie sollten damit anfangen, den politischen Gegner politisch zu stellen und nicht die Person zu beschädigen!

Wolfgang Rieder, Bitburg

Was soll das denn werden? Dass ausgerechnet die vier Visegrád- Staaten Polen,Tschechien, Slowakei und Ungarn sowie der italienische Rechte Matteo Salvini Zustimmung zu der Personalie von der Leyen signalisieren, müsste eigentlich jeden  nicht gerade rechtsnationalen EU-Bürger in Alarmbereitschaft versetzen! Auch die Regierungschefs der rechtsnationalen Staaten kennen Ursula von der Leyens Versäumnisse und Unfähigkeit als Bundesverteidigungsministerin wahrscheinlich sehr genau. Das wird der Grund sein, um Zustimmung zu signalisieren! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Ich bin doch nicht zur EU-Wahl gegangen, damit rechtsnationale Staaten zukünftig ein leichtes Spiel haben!

Ulrike Möhn, Wittlich

Zum Leserbrief von Markus Pflüger unter der Überschrift „Eine Frau aus dem prallen Leben“ (TV vom 6./7. Juli):

Man kann zu Ursula von der Leyen stehen, wie man will, und der Vorgehensweise beim Vorschlag ihrer Nominierung (übrigens rechtlich nicht anfechtbar, dann müsste das System geändert werden), aber eine solche Polemik an den Tag zu legen und dann Milliarden mit Millionen verwechseln (Gorch Fock) und als Referent der Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. Trier von Konfliktbearbeitung schreiben, da fällt mir nur ein altes Sprichwort ein: Erst denken, dann reden oder schreiben.

Manfred Jungbluth, Thalfang

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