Schöner Schein

Zur Begeisterung über den Besuch des US-Präsidents-Kandidaten Barack Obama in Berlin:

Obama erzeugte mit seiner Berliner-Rede eine Begeisterungswelle, mindestens in den Medien. Steht der Noch-Senator für eine neue politische Kultur? Kann mit "Obamania" die Welt gerettet werden? Reichen heute ein nettes Hollywood-Lächeln, wohl gesetzte, aber berechnete Worte, um Begeisterungsstürme und kritiklose Zustimmung zu erzeugen? Ich kann mir nur verwundert die Augen reiben, was zu Obama in den Medien geschrieben und in welcher übertriebenen Form Schlüsse gezogen werden.

Was, wer ist Obama? Zunächst ein zugegeben nett aussehender Politiker, der recht gut Reden halten kann. Schaut man sich weltweit die aktuelle Politikergilde an, kein Wunder, dass ein "bisschen anders" schon als "toll, begeisternd, super" beschrieben wird.

Obama ist für mich zunächst ein Kind unseres Medien-Zeitalters, wo Inszenierung, gezielt Wirkung erzeugen, eine gute Show abliefern bestimmende Faktoren geworden sind. Wo bleiben die Betrachtungsfelder Inhalt, Tiefe, Qualität und konsequentes Handeln? Versprechungen und ein paar schöne Worte, nicht mehr hat Obama bisher abgeliefert. Damit wird vielleicht die Hoffnung in einer zunehmend orientierungsloser gewordenen Zeit genährt, Probleme werden damit noch nicht mal annähernd gelöst. Obama reiht sich aber nahtlos ein in den Medienhype: Papst, Fußball-WM und -EM. Für mich sind die dazu beschriebenen Begeisterungswellen nichts anderes als übertrieben herausgestellte Stimmungsbilder.

Sind alle die, die begeistert "Benedetto" rufen, religiöse Menschen oder heißt die Antwort eher "hier läuft eine Party, da sind wir dabei, wer da vorne steht, ist egal?" Oder Fußball: Geht es tatsächlich um Begeisterung an dem Spiel an sich, oder ist es nicht einfach toll, Party auf einer Fanmeile zu machen, egal was da in irgendeinem Stadion abläuft? Die Akteure nur Mittel zum Zweck? Vielleicht ist "Obamanie" das Erfolgsrezept schlechthin in einer immer oberflächlicher, von kurzfristigem Denken beherrschten Welt: Der schöne Schein ist entscheidend, alles andere sekundär. Dann hat die moderne Gehirnforschung doch recht: Emotionen bestimmen die Kognition.

Patrick Haas, Bernkastel-Kues

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