Politik und Gesellschaft Sehr schade, sehr bedauerlich – aber leider richtig

Zum Essay „Der Terror der Tugend“ (TV vom 24. Februar) und zu diversen Meinungsbeiträgen im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Dezernent Thomas Schmitt schreibt Marie-Therese Frigerio:

Wenn Willy Brandt in seiner Zeit als Bundeskanzler fremdgegangen ist, dann war dieses Handeln ein privates, das nur ihn und die privat Betroffenen etwas anging. Insofern stimme ich Frank Jöricke zu: Privates in den sogenannten Social Medias und ebenso in den klassischen Medien breitzutreten, ist daneben – es ist insofern eine Un-Tugend, da die Nutzer weder informiert noch im eigentlichen Sinne unterhalten werden. Eine primitive Sensationsgier zu befriedigen ist und bleibt geschmacklos. Es geht die Allgemeinheit schlicht nichts an. Im Fall von Thomas Schmitt als Ordnungsdezernent der Stadt Trier verhält es sich anders. Auch er hat das Recht, dass Privates privat bleibt. Hier geht es jedoch nicht um das Handeln der Privatperson Thomas Schmitt, sondern darum, dass er als Amtsträger tatsächlich ein tugendhaftes, mit anderen Worten ein an Werten orientiertes, vorbildliches Verhalten zeigen muss. Dass Medien über den Vorfall berichten und zuvor recherchierten, wer verfrüht eine Impfung in Anspruch genommen hat, empfinde ich nicht als „Terror der Tugend“, sondern als das Umsetzen einer journalistischen Aufgabe, nämlich zu informieren. Ich kann gut nachvollziehen, dass man in einem bestimmten Moment dem hohen Anspruch des Amtes nicht gerecht wird und einen Fehler begeht. Dies ist menschlich und kann passieren, denn Menschen begehen Fehler. Herr Schmitt wurde in sehr hohem Maße gelobt für seine Fachkompetenz, seine angenehme, kooperative, konstruktive und pragmatische Form der Zusammenarbeit und auch für das hohe Engagement für die Belange seines Dezernats. Dies heißt, er wird gelobt, weil er sein Amt tugendhaft, nämlich engagiert, loyal, zuverlässig ausführt. Als verantwortlicher Amtsträger hat er es sich nicht leicht gemacht mit seiner Entscheidung. Er weiß, wie sehr er gebraucht wird. Verständlich, dass er Zeit benötigte, seine Entscheidung zu treffen. Ein großes Dilemma, in welchem er sich sicherlich in den letzten Wochen befand. Auf der einen Seite die „gute Entscheidung“ im Amt zu bleiben und weiterhin in der momentan sehr herausfordernden Zeit die Krise verantwortlich zu managen, und auf der anderen Seite ebenfalls „die gute Entscheidung“ ernst zu nehmen, wie wichtig es ist, sich eben nicht dem Verdacht auszusetzen, einen Amtsmissbrauch begangen zu haben und Vertrauen zerstört zu haben. Werte und Normen zu achten und danach zu leben, dies gehört zur Vorbildfunktion von Trägern öffentlicher Ämter; dies erzeugt Glaubwürdigkeit. Bei einem Fehlverhalten die Konsequenzen zu ziehen ist in letzter Instanz die einzige Möglichkeit, um seine Glaubwürdigkeit zu erhalten. Und dies ist für Amtsträger ganz sicher eine der höchsten Tugenden. So hat es auch vor Jahren die damalige Bischöfin Margot Käßmann getan, als sie alkoholisiert Auto fuhr. Für sie und genau so für Thomas Schmitt war es der Anspruch an die eigene Moral, sich an die Regeln zu halten, die man in seinem Amt von der Gesellschaft einfordert.

Insofern finde ich die Konsequenz der Entscheidung von Herrn Schmitt für Trier sehr schade und sehr bedauerlich, aber (leider) die richtige. Ich habe großen Respekt vor seiner moralischen Haltung.

Marie-Therese Frigerio, Newel

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