Handwerk Seit Jahrzehnten aus den Fugen

Zum Artikel „Was bewirkt die Pflicht zum Meister?“ (TV vom 7. Januar) schreibt Herbert Dittrich:

Die Begründungen von Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer über die Wiedereinführung der Meisterpflicht in derzeit zwölf Gewerken sind für mich an den Haaren herbeigezogen. Ich selbst komme aus dem Metallbauer-Handwerk und habe 1971 in München die Meisterprüfung abgelegt. Mein Bestreben war es immer, mich selbstständig zu machen und mein Wissen den Lehrlingen weiterzugeben. In meiner 25-jährigen Selbständigkeit habe ich genau 30 Lehrlinge bekommen, diese bis zur Gesellenprüfung ausgebildet und hatte stets den Vorsatz, diese auch in meinem Betrieb zu halten. Leider blieben nur wenige dem Handwerk treu.

Schon damals, vor mehr als 40 Jahren, musste man jeden Lehrstellen-Suchenden nehmen, denn die Auswahl war gering. Schon 1992 sagte bei einer „Freisprechungsfeier“ der damalige Kammerpräsident Kurt Seelmann aus Bayreuth, dass das Verhältnis der Lehrstellen-Suchenden zu den Studienplatz-Suchenden „aus den Fugen“ geraten sei. Die Universitäten platzten aus allen Nähten und die Handwerksmeister – damals alle noch  Meister – fanden keine Lehrlinge mehr. Der Satz „Wer heute nicht ausbildet, hat morgen keine Facharbeiter“ ist leider schon längst überholt. Die Lehrlinge, welche bereits vom ersten Tag an Sozialversicherungsbeiträge zahlen, sind immer im Nachteil gewesen gegenüber den Studierenden. Da fehlt es eben schon in den Startlöchern, denn in den Kindergärten und Schulen wird alles andere als Werbung fürs Handwerk gemacht. Es wird einem vorgegaukelt, dass man heute nur mit Internet weiterkommt. Weit gefehlt!  Lehrlinge müssen den Kopf und die Hände gebrauchen können, nur so wird aus einem „Halbzeug“ ein fertiges Teil. Dazu müssen aber auch die Vorgaben stimmen vonseiten der Politik!

Keine Bevormundung und Knebelung der Handwerksbetriebe, nicht so wie Herr Wollseifer sagt: „Nur der Handwerksmeister kann qualifiziert ausbilden“; er hat anscheinend davon keine Ahnung! Sehr oft sind gute Gesellen dem Meister um Längen voraus, denn „Menschenführung“ hat man oder eben nicht. Die Rückkehr zur Meisterpflicht senkt die Preise! Welch ein Hohn, diese Rückkehr ist ein Rückschritt! Ich frage mich nur, weshalb sich nicht selbstständige Handwerksbetriebe hierzu äußern. Ich selbst bin im Ruhestand und melde mich lediglich zu Wort, da mir der Beitrag von Herrn Wollseifer den Hals anschwellen lässt.

Mir ist vollkommen klar, dass die Meinungen hierüber geteilt sind, hat aber jemand als Selbstständiger einen Betrieb und muss die gesamten Kosten selbst tragen, so ist die Denkweise eine ganz andere. Nur wenn die Kinder in der Familie von klein auf handwerklich gefördert werden, auch im Kindergarten und in den Schulen, dann wird sich etwas ändern – und nicht mit diesem ständigen Blablabla von Ahnungslosen.

Herbert Dittrich, Konz

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