Selektive Wahrnehmung

Politik

Zum Leserbrief "Geradezu grotesk" (TV vom 18./19. März):
Die nordafrikanischen Maghreb-Staaten sind unbedenklich, denn so schlimm kann die humanitäre Situation in Staaten doch nicht sein, wenn wir Deutschen dort sogar Urlaub machen. Dies ist eine wenig originelle Argumentation, die wie so viele "elegante" Schlussfiguren zu kurz gedacht ist. Denn ein Urlauber, den es nach Algerien, Tunesien oder Marokko verschlägt, ist eben nicht Teil der dort unterdrückten Minderheiten. Im Gegenteil: Die jeweiligen Regime sind sehr an Tourismus interessiert. Tourismus generiert Devisen, welche die Staaten zum Selbsterhalt benötigen. Wer sich in den Pool der Urlaubs-Enklaven setzt, ist eben kein ressourcen- und wehrloser Oppositioneller, kein regimekritischer Journalist, muss auch nicht fürchten, aufgrund seiner Sexualität systematischer Gewalt ausgesetzt oder wegen seiner religiösen Überzeugungen durch den Fleischwolf gedreht zu werden.
Ein weiteres tolles Reiseziel: Nordkorea. Ein Besuch dieses faschistoiden Schurkenstaates ist für die Privatperson vollkommen unbedenklich, denn die Elite braucht ausländische Währungen, um ihren Luxus zu finanzieren. Dort sind Reisende willkommen, sicher und bekommen nur die schönsten Ecken zu sehen. Für diese Art von Touristenpropaganda hat Nordkorea eine eigene Behörde. Nach der eingangs dargelegten Logik müssten wir also alle Flüchtlinge aus diesem Staat zurückbefördern, immerhin lässt sich dort für den Europäer fürstlicher Urlaub fristen.
Deniz Y. Dix
Trier

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