Wirtschaft Sonst geht die Zigarre des dicken Ludwig endgültig aus ...

Zum Artikel „Wein für Lidl von Van Volxem & Friends“ (TV vom 20. März) schreibt Stefan Koch:

Ein wirklich gutes, bekanntes Weingut, vom Bitburger-Sohn hervorragend aufgebaut und wiederbelebt, verkauft jetzt seine Weine beim Discounter. Um den eigenen guten Namen noch etwas zu schützen, gründet man eine Manufaktur. Juristisch alles sauber. Nur: Wo bleibt die Moral? Wird alles im Turbokapitalismus auf dem Altar der freien Marktwirtschaft präsentiert? Wie weit sind wir gekommen?

Ludwig Erhard, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft, würde bei den heutigen Geschäftsmanieren die dicke Zigarre ausgehen. Sozial sollte die Marktwirtschaft sein. Immer einen Ausgleich schaffen, damit es allen gutgehen kann. Kein Paradies, aber alle sollen auskömmlich leben können.

Bei aller kritischen Betrachtung der Protagonisten zählt, was hinten herauskommt. Ohne Neid, der einfache Kunde bei Lidl zahlt 8,99 Euro für einen suggerierten VDP-Wein. Das ist bei R. Prüm und Günter Jauch das Gleiche, die gleiche Verfahrensweise der Supermarkteinkäufer – das hat System. Wir wollen unsere lieben Kunden auch in den Genuss von superedlen Weinen bringen. Nur zum Vergleich, die Flasche Wein der Fasswinzer, über die Kellerei vermarktet, hat einen Mindestpreis von 1,99 Euro = vier Flaschen Winzerwein gegen eine Flasche edelsten Wein, für den Kunden. Die Einkauftaktik der Einkäufer aller Discounter folgt einem alten kaufmännischen Prinzip: „Im Einkauf liegt der Gewinn.“ Nichts dagegen einzuwenden, das habe ich auch. Wenn es aber nur noch fünf Discounter gibt, die 80 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland abdecken, dann wird es interessant. Und wenn Bauern, Winzer, Textilarbeiter, Molkereien, Schlachthöfe ausgequetscht werden, und das nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, in Indien, in Bangladesch, sollten Politiker und Unternehmer schnell wieder Ludwig Erhard lesen und umsetzen. Zum Wohle aller und nicht zum Wohle Einzelner, und das sage ich ohne Neid, denn mir geht es noch gut.

Vertriebsstrukturen, die sich fehlentwickelt und verselbstständigt haben, können wir nicht in zwei Jahren reformieren. Das dauert länger, und wir alle brauchen sehr viel Mut und die Weitsicht aller gesellschaftlichen Entscheider. Ändern kann es jetzt der Verbraucher. Solange die EU die Massenware subventioniert, gehen die kleinen Unternehmer kaputt, weil sie zu diesen Preisen, unter fairen Arbeitsbedingungen, nicht produzieren können. Mit dieser Massenwarenpolitik schaden wir übrigens der ganzen Welt und besonders Afrika, da flüchten die Kleinbauern zu uns, weil wir unsere Reste billig dorthin liefern. Wir müssen alle umdenken, vielleicht hilft uns die jetzige Krise und gibt uns Zeit, neu zu denken.

Stefan Koch, Lieser

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