Soziales
Zur Berichterstattung über das Tarifeinheitsgesetz (TV vom 23./24./25. und 30./31. Mai):
Als Vorsitzender des Marburger Bundes für den Bezirk Trier möchte ich für alle angestellten und beamteten Ärzte unserer Region feststellen: Dieses Gesetz ist nicht nur ein politischer Irrtum, sondern es ist ein Angriff auf das Grundgesetz. Denn wer ein Grundrecht unter Mehrheitsvorbehalt stellt, der hat es beseitigt. Mit dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip schafft der Gesetzgeber einen völlig neuen Rechtszustand, der anstelle der verfassungsrechtlich vorgesehenen Tarifpluralität einen Zwang zur betrieblichen Tarifeinheit vorsieht. Einen solchen Zwang zur Unterordnung unter einen Mehrheitswillen hat es vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2010 nicht gegeben. Das Gericht hat damals deutlich gemacht, dass der Grundsatz der Tarifeinheit mit der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit nicht zu vereinbaren ist. Der Gesetzentwurf zielt eindeutig darauf ab, die bestehende, von den Arbeitgebern ausdrücklich akzeptierte Tarifpluralität durch den Zwang zur Tarifeinheit auszuhebeln. Die seit 2006 ausgehandelten arztspezifischen Tarifverträge haben einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einer fairen Vergütung in unseren Krankenhäusern geleistet. Anders als die Befürworter des Gesetzes behaupten, handelt es sich nicht um die "Wiederherstellung" eines alten Rechtsgrundsatzes, sondern um ein gesetzlich angeordnetes Mehrheitsprinzip zur Privilegierung eines bestimmten Gewerkschaftstyps. Dadurch soll vor allem berufsspezifischen Gewerkschaften wie dem Marburger Bund das Recht vorenthalten werden, eigenständig und unabhängig von anderen Gewerkschaften Tarifverträge für die eigenen Mitglieder zu vereinbaren. Damit schränkt der Gesetzgeber die Freiheit aller Arbeitnehmer in Deutschland ein, selbst zu entscheiden, wer sie heute oder morgen tariflich vertreten darf. Niemand würde im Umkehrschluss auf den Gedanken kommen, dass die Tarifverträge zwischen Gewerkschaft und dem größten Arbeitgeber von allen anderen Arbeitgebern zu übernehmen sind - auch eine Art Tarifeinheit. Ein nicht zu überbietender politischer Irrtum eben. Dr. Günther Matheis, Trier