Manchmal ist ein Blick in unser Grundgesetz schon sehr verwunderlich. Da steht doch tatsächlich in Artikel 20, Absatz 1: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." Sozial bedeutet: das Wohl anderer im Auge zu behalten oder fürsorglich an die Allgemeinheit zu denken. Mit Allgemeinheit sind ja sicher nicht die sieben bis acht Millionen Arbeitnehmer in prekären Arbeitsverhältnissen gemeint oder die Erwerbstätigen, die im Bereich der Leih- und Zeitarbeit oder in einem Werkvertrag ausgebeutet werden. Welches Wohl die Politik in den letzten zehn Jahren eher im Auge hatte, insbesondere bei Subventionen, Bankenrettungen, Steuervergünstigungen, EU-Transferzahlungen, dürfte ja bekannt sein. Wenn man tatsächlich fürsorglich an die Allgemeinheit denkt, dann darf man die Probleme der bevorstehenden Altersarmut und des Pflegenotstandes nicht ignorieren. Und die Demokratie soll ein politisches System sein, bei dem das Volk eine wesentlich mitbestimmende Funktion einnimmt? Hat uns schon mal jemand gefragt, was wir von Rüstungs exporten halten, wie wir über die Militäreinsätze der Bundeswehr denken oder wie wir die ständige Erweiterung der EU bewerten? Oder hat mal eine Debatte darüber stattgefunden, warum der nächste Bundestag etwa 50 zusätzliche Mandate haben muss? Aber wer fragt schon das Volk? Wir leben ja nicht in der Schweiz. Jürgen Teusch, Wittlich