soziales

Zum Artikel "Trotz Zeitmangels fit bleiben" (TV vom 11. Oktober):

Seit zehn Jahren arbeite ich in der Kranken- und Altenpflege, habe selbst zwei Töchter, die in der Ausbildung zur Altenpflegerin sind. Mich entsetzen in dem Artikel einige Angaben, und ich glaube, dass manche "Nicht-Pflegekräfte" wissen sollten, unter welchen Umständen und mit wie viel Enthusiasmus in der Pflege gearbeitet wird, um einen gewissen Standard überhaupt halten zu können. Vorgaben über Minuten, die man zur Pflege hat, werden nicht von den ambulanten oder stationären Einrichtungen vorgeschrieben, sondern von Institutionen wie Pflege- und Krankenkassen. Mich stört an dem Artikel die Aussage darüber, dass fünf Minuten zum "Füttern" einer pflegebedürftigen Person vorgegeben sind. Dazu: Ich füttere mein Haustier, aber einem pflegebedürftigen Menschen reiche ich das Essen an. Dann sollen laut Markus Classen (Coach für Pflegekräfte) Pflegekräfte sich nicht ärgern, wenn sie nur fünf Minuten Zeit haben, einen älteren, vielleicht auch noch demenzkranken Menschen zu waschen. Dies kann ich nicht ernst nehmen. Duscht Classen selbst in fünf Minuten, ist dann angezogen und sieht für sich selbst gut aus?! Laut unseren Richtlinien sollen Pflegekräfte aktivierend pflegen, also die zu pflegende Person soll möglichst viel selbst machen, soll sich selbst dabei wohlfühlen, soll im Sinne der Angehörigen, der Pflegekassen und pflegerischen Standards versorgt sein. Außerdem glaube ich nicht, dass das schlechte Image junge Leute fernhält von Pflegeberufen. Sind es nicht vielmehr die wechselnden Schichten, die Feiertagdienste und die nicht unbedingt "beste" Bezahlung? Weiterhin schlägt Jens Geißler vor, dass Pflegende sich ihrer Position bewusst sein sollten. Wer, bitte schön, sagt in einer stationären Einrichtung "Nein" zu zusätzlichen Diensten? Man weiß, dass dies letztendlich den Kollegen noch mehr Zeitdruck bringt und es für die Menschen, die von uns versorgt werden, noch weniger die Möglichkeit gibt, ein kurzes Gespräch zu führen über ihre Ängste und Sorgen. Alle diese guten Vorschläge könnten umgesetzt werden, würde sich in unserer Gesellschaft jeder bewusst machen, wie schnell er selbst in die Situation kommen kann. Karola Reyheller-Kerr, Piesport

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