Politik Sozialverträglich? Lächerlich!

Zu den Artikeln „ Wann kippen in Rheinland-Pfalz die Ausbaubeiträge für Straßen?“ und „Ein Riss geht durch das Land“ (TV vom 9./10. März) sowie „Keine goldenen Bürgersteige: So will die CDU Straßenausbaubeiträge abschaffen“ (TV vom 21. März) schreibt Prof. Franz Reuter, Mainz:

Derzeit erlebt man wieder eine massive Stimmungsmache gegen die Erhebung von Ausbaubeiträgen, mit denen Kommunen Grundeigentümer an der Finanzierung der Wiederherrichtung desolater Straßen beteiligen. Es wird mit extremen Ausschlägen in den Beiträgen argumentiert, auf soziale Ungerechtigkeiten verwiesen und die Rechtslage unklar oder gar unzutreffend dargestellt. Die von Innenminister Lewentz ins Feld geführten „Wiederkehrenden Beiträge“ (Beispiel 55 Euro/Jahr) sind eben keine Härtefallregelung, wie kolportiert, sondern können von den Gemeinden als Regelerhebung anstelle von „Einmaligen Beiträgen“ eingeführt werden. Wiederkehrende Beiträge bewirken eine mehr als spürbare Entlastung der Beitragspflichtigen. Die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen werden nach Abzug des Gemeindeanteils nicht nur auf die betroffenen Straßenanlieger, sondern auf alle Grundeigentümer beitragspflichtiger Grundstücke des Gemeindegebiets oder einzelner Ortsteile verteilt. Der Landtagsabgeordnete Schnieder (Beispiel 20 000 Euro) dürfte es wissen. In seinem Wohnort werden auch Wiederkehrende Beiträge erhoben.

Gegen die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen – ob wiederkehrende oder einmalige sei mal dahingestellt – spricht einiges: Die Verbesserung des Straßenzustands steigert regelmäßig den Grundstückswert; bei Beitragsfreiheit wüchse den Grundeigentümern der Mehrwert quasi zum Nulltarif auf Kosten der Allgemeinheit zu. Die Beteiligung der Grundeigentümer am Straßenausbau entspricht ihrer Mitverantwortung für den Zustand ihrer Straße und ist Ausdruck von Solidarität und Bürgersinn („Wir schaffen das“). Die Beitragspflicht zwingt die Kommunen zu intensiver Partizipation der Bürger und zu einem den örtlichen Erfordernissen entsprechenden kostengünstigen Ausbau. Bei Verzicht auf die Erhebung von Ausbaubeiträgen geben die Kommunen womöglich das Heft des Handelns für den Straßenausbau aus der Hand.

Angesichts der demografischen Entwicklung, der Lage auf den Immobilienmärkten und des prekären Zustands der kommunalen Finanzen sollte man sich nichts vormachen. Derweil wird schon über weitreichendere Maßnahmen zur Beteiligung von Grundeigentümern an den Kosten für die öffentliche Infrastruktur diskutiert. Da mutet der seit Jahren geführte und nunmehr vom Bundesverfassungsgericht befeuerte Streit der Bundesländer über eine gerechte Grundbesteuerung schon fast anachronistisch an.

Ebenfalls zu den Artikeln „ Wann kippen in Rheinland-Pfalz die Ausbaubeiträge für Straßen?“ und „Ein Riss geht durch das Land“ (TV vom 9./10. März) sowie „Keine goldenen Bürgersteige: So will die CDU Straßenausbaubeiträge abschaffen“ (TV vom 21. März) schreibt Gerd Schmitt, Trier:

Wann kippen in Rheinland-Pfalz die Straßenausbaupläne unter Beteiligung der Anlieger?

In Trier zum Beispiel ist es so, dass die Anlieger  70 Prozent für den Ausbau der Straße zu zahlen haben. Die Stadt übernimmt – laut Präambel der Stadtverordnung – die restlichen 30 Prozent.

In den Augen des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz ist dies eine sozialverträgliche Lösung. Schließlich hätten die Anlieger eine Wertsteigerung ihres Grundstücks zu erwarten, und außerdem könnten die Anlieger eine Stundung der Anliegerbeiträge beziehungsweise eine Ratenzahlung in Anspruch nehmen, so der Innenminister.

Werter Herr Lewentz, sind Sie sich dessen bewusst, wie schwer es für manche Menschen ist, diesen Anteil zu stemmen? Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines älteren Hauseigentümers, der nur eine kleine Rente von weniger als 1000 Euro im Monat erhält. Wie soll dieser die anteiligen Anliegerkosten, die je nach Grundstücksgröße schnell im unteren fünfstelligen Eurobereich liegen können, übernehmen, ohne sich zu verschulden oder einen Kredit aufzunehmen?

Und wie soll die junge Familie, die ein kleines Haus erworben und renoviert hat, weil ein Neubau nicht zu finanzieren ist, neben den Darlehenstilgungen auch noch die zusätzlichen Kosten für den Straßenausbau aufbringen?

Karl-Heinz-Frieden, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, spricht davon, dass das Land beim Wegfall der Anliegerkosten einen „dreistelliger Millionenbetrag“ zu stemmen hätte. Was mich wütend stimmt ist vor allem die Tatsache, dass das Land Rheinland-Pfalz einerseits seine Schatulle öffnet und großzügig (hochdefizitäre) Prestigeprojekte unterstützt und finanziert, aber andererseits bei den Bürgern darauf verweist, wie leer die Kassen doch sind.

Bis jetzt sind vom Land alleine in den Nürburgring und den Flughafen Hahn mehrere Hundert Millionen Euro geflossen. Mit diesem Geld hätte man eine Menge Straßen sanieren und ausbauen können; und zwar ohne Beteiligung der Anlieger. Von dieser Investition würden sicherlich deutlich mehr Bürger profitieren!

Zum Artikel „Der alte Mann und die Beiträge“ (TV vom 18. März) schreibt Alfons Meyer, Maring-Noviand:

Der „alte Mann“ (SPD-Urgestein  Carsten Pörksen), den ich in der Vergangenheit als kritischen, aber stets scharfen Denker kennengelernt habe, hat recht, wenn er die Haltung der SPD zum Thema Straßenausbaubeiträge kritisch sieht.

Dass „Wiederkehrende Beiträge“ sozialverträglicher, weil solidarischer sind, ist ein Trugschluss.

Sie sind es nur dann, wenn die zu ihrer Erhebung erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen einfach negiert und missachtet werden. Es müsste nämlich ansonsten für jedes Abrechnungsgebiet ein Plan vorgelegt und eingehalten werden, nach dem „alle im Abrechnungsgebiet“ befindlichen Straßen saniert werden. Und das innerhalb einer Frist von zwölf bis fünfzehn Jahren (von der Rechtsprechung entwickelter Zeitraum).

Dann sind die ersten Zahlungen noch nicht abgeschlossen, wenn die nächsten Straßensanierungen und damit erneute „Wiederkehrende Beiträge“ ins Haus stehen.

Zudem muss die Gemeinde einen Nachweis erbringen, dass sie in der Lage ist, alle diese Maßnahmen im Zeitraum auch mit ihrem Eigenanteil finanziell zu gewährleisten. Da frage ich mich, welche Gemeinde kann das heute?

Diese Grundsätze sind spätestens einzuhalten, wenn auch nur ein Anwohner gerichtliche Feststellung der Rechtmäßigkeit begehrt.

Wenn das aber alles eingehalten werden muss, dann sind „Wiederkehrende Beiträge“ nicht sozialverträglicher.

Die alleinige Beteiligung von Gemeinden, Kreisen und dem Land an den Straßenausbaukosten würde auch dazu führen, dass Straßen nur dann saniert werden, wenn es auch tatsächlich erforderlich ist.

Bürgerinitiativen, die sich aufgrund von Prestigeobjekten politischer Schwergewichte bilden, würden damit auch zukünftig obsolet.

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